Petras Tagebuch

Das abgebrannte Auto

Neuerdings halte ich mich am Tage in der Jonasstraße auf und habe von meinem Platz aus gute Sicht auf die Straße. Letzte Woche war die Überraschung groß. Genau vor meinem Fenster befand sich ein vermutlicher VW-Bus, der ausgebrannt war. Es war kein schöner Anblick, und gestunken hat es auch. Mein Fahrrad vor diesem ausgebrannten Teil wirkte wie eine Verhöhnung des Morbiden.
Innerhalb kurzer Zeit entwickelte sich dieses stinkende verrußte ehemalige Auto in eine Attraktion. Ganze Menschengruppen versammelten sich vor der Ruine und orakelten über den Hinter- grund der Tat. War es ein persönlicher Rachefeldzug gegen den Autobesitzer oder eine Marketingmaßnahme der in der Jonasstraße ansässigen Geschäftsleute oder konnte ein Pyromane nicht mehr an sich halten? Das Argument, dass es ein Brandanschlag gegen Bonzenautos ist, kann locker von der Hand gewiesen werden. Das war kein Bonzenauto. Auf jeden Fall ist durch diesen Vorfall die Jonasstraße sehr belebt worden.
Ein neuer Wallfahrtsort ist entstanden. Menschen begutachten, was da wohl passiert sein könnte. Feste finden in der Nacht statt. Morgens liegen zerbrochene Schnapsflaschen um das Auto herum, viele Zigarettenkippen schmücken den Ort der Tat.
Menschen, die sonst nie miteinander zu tun hatten, kommen ins Gespräch. Da kommen alt eingesessene Bewohner des Kiezes ins Gespräch mit neu Hinzugezogenen. Türkische Kids plaudern mit Geschäftsleuten, die Attraktion scheint die Bevölkerungsgruppen zusammenzubringen.
Und das scheinen auch Ordnungsamt und Polizei begriffen zu haben. Auch sie erscheinen täglich am Ort des Unglücks und begutachten. Was sie begutachten, weiß ich nicht, aber sie lassen das Auto stehen und das ist gut so.
Wenn ein abgebranntes Auto so viel Kommunikation bewirken kann, dann sollte in jeder Straße ab und zu ein Auto brennen.