Neuköllner Alltägliches

Nachrichten aus dem »Neuköllner Tageblatt« vor 100 Jahren, bearbeitet von M. RempeNK_Tagblatt-Kopf

Nr. 206 – Donnerstag, 03. September 1914
Um bei der durch den Kriegszustand herbeigeführten Verteuerung einer Anzahl von Lebensmitteln der Bevölkerung ein nahrhaftes, wohlschmeckendes, gut bekömmliches und billiges Brot zu verschaffen, hat Herr Polizeipräsident Becherer mit der hiesigen Bäckerinnung vereinbart, daß vorläufig eine Anzahl Bäckermeister ein aus Roggenmehl hergestelltes Brot, das sogenannte Kommisbrot, backen, welches bei einer Schwere von drei Pfund nur 40 Pfennig kosten soll. Sollte das Brot, das an Nahrhaftigkeit das Weiß= bezw. Graubrot bei weitem übertrifft, dem Geschmack des Publikums entsprechen und gut gekauft werden, so werden auch die übrigen Bäckermeister das Brot bei sich einführen. Die Namen der Bäckermeister, die vom 3. September an das Brot verkaufen, sind in einer Bekanntmachung des Herrn Polizeipräsidenten, die wir in vorliegender Nummer zum·Abdruck bringen, veröffentlicht.

Nr. 206 – Donnerstag, 03. September 1914
Ein Notschrei aus der Köllnischen Allee. Von Bewohnern der Köllnischen Allee wird lebhaft darüber geklagt, daß dem Fegen der Straße seitens der Straßenreinigungsanstalt nicht das unbedingt notwendige Sprengen vorangeht. Die Anwohner haben unter diesem Mangel, der auch in gesundheitlicher Beziehung schwere Bedenken haben muß, bitter zu leiden. Hoffentlich genügt dieser Notschrei, um hier Abhilfe zu schaffen.

Nr. 208 – Sonnabend, 05. September 1914
Die Feldpostbriefe nicht verschließen! Die Gouvernements der im Operationsbereich liegenden Festungen machen bekannt: »Die Briefe der Besatzungen sind offen in die Briefkästen zu legen, werden von der Prüfungsstelle gelesen, zensiert, geschlossen und dann abgesandt, soweit sie nicht von einer Behörde abgesandt, an eine Behörde gerichtet oder bereits durch eine Behörde zensiert worden sind.« Da auch in neuerer Zeit wiederholt verschlossene Feldpostbriefe an Mannschaften im Felde, die also nicht zur Festungsbesatzung gehören, mit dem Vermerk zurückgesandt wurden, daß verschlossene Briefe unzulässig seien, so empfiehlt es sich dringend, alle Feldpostbriefe nur offen zu senden, will man sich nicht der Gefahr aussetzen, die Sendung als unzulässig zurück zu erhalten, selbst wenn dies nur infolge Unkenntnis der Postbeamten geschehen ist.

Nr. 211 – Mittwoch, 09. September 1914
Die Neuköllner Arbeitslosenunterstützung. Die Vorsitzenden der Wohlfahrtsausschüsse beschlossen, vorläufig folgende wöchentliche Unterstützung an Arbeitslose zu gewähren: Für eine Person 4 Mark, für ein kinderloses Ehepaar 6 Mark und für jedes Kind 1 Mark mehr, bis zur Höhe von 10 Mark. Die Unterstützungen sollen für zwei Wochen gleich bewil­ligt, aber jede Woche ausbezahlt werden. Ist die Notlage nicht behoben, so kann kurz vor Ablauf der bewilligten 14tägigen Unterstützung ein neuer Antrag gestellt werden. Der Betrag kann in bar oder auch zum Teil in Naturalien gegeben werden, welche bei den oben erwähnten Sätzen in Anrechnung gebracht werden. Diese Regelung ist zunächst als Provisorium gedacht, um einen Ueberblick über die benötigten Summen zu erhalten. In der Sitzung kam das Bestreben zum Ausdruck, wenn irgend möglich, noch über diese Sätze hinauszugehen.

 Die Transkription des Zeitungstextes wurde mit Fehlern in der Rechtschreibung aus dem Original von 1914 übernommen.
Die Originale befinden sich in der Helene-Nathan-Bibliothek.

Post aus den Schützengräben

Die Feldpost hält den Kontakt zwischen Front und Heimat

Mit dem Beginn des Krieges nahm auch die Feldpost ihre Arbeit auf, denn Briefe zu schreiben war für die an der Front befindlichen Soldaten die einzige Chance, mit ihren Familien in Kontakt zu bleiben. Es waren Lebenszeichen für die Angehörigen, und sehr oft blieben es auch die letzten Worte, die der Absender nach Hause schicken konnte.
Die Nachrichten der einfachen Soldaten von der Front galten in der Heimat als authentisches Zeugnis vom Frontalltag und standen oft in krassem Gegensatz zu den Heeresberichten und der offiziellen Propaganda.

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Feldpoststelle im Unterstand eines Schützengrabens. (Foto: Stadtarchiv Darmstadt)

Von den Soldaten wurden vor allem die Päckchen aus der Heimat sehnsüchtig erwartet, denn sie enthielten meis­tens Kleidung, Tabak oder Nahrungsmittel. Diesen »Liebesgabensendungen« kam große Bedeutung zu, da sich die Ausrüstung der Truppen als unzulänglich erwies.
Die deutsche Feldpost beförderte pro Tag fast 16,7 Millionen Feldpostkarten, Briefe, Päckchen, Zeitungen und Pakete in beide Richtungen.
Natürlich wurde die Feldpost stichprobenartig zensiert oder gesperrt. Wer »zensierenswerte« Informationen in seinen Briefen weiterleitete, hatte mit Arrest und Schreibverbot zu rechnen.
Doch trotz der strengen Kontrollen wussten die Soldaten die Zensur zu umgehen. Sie gaben ihre Briefe Urlaubern mit, warfen sie aus Zügen und hofften, dass die Finder den Brief abschicken würden, oder schrieben die Informationen in verschlüsselten Worten, die nur die Verwandten verstehen konnten.

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