Schichtwechsel

Fred Haase begeistert sich für Frauenfußball

Neulich sah ich ein Fußballspiel. Ein richtiges. Mit Ecken, Einwürfen, einer gelben Karte. Aber Achtung, Achtung … ich spreche vom Frauenfußball. Und ich sage Ihnen etwas, was ich früher nie zu sagen gewagt hätte, solange ich im Freundeskreis noch ernst genommen werden wollte: Frauenfußball ist besser. Ja, besser. Punkt.

Foto: Symbolbild

Nun gut, nicht unbedingt schneller. Aber was man bekommt, ist, wie soll ich sagen, echter, authentischer. Nicht dieses übergesponserte Männerschaulaufen, bei dem Spieler mit Drei-Tage-Bart und Tattoo-Sättigung für 120 Millionen Euro verpflichtet werden, nur um dann 16 Minuten theatralisch auf der Ersatzbank herumzuleiden.
Im Frauenfußball hingegen: Teamgeist! Laufbereitschaft! Pässe, die wirklich ankommen! Kein Neymar’sches Sterben bei jeder Schuhspitze, die auch nur entfernt nach Körperkontakt aussieht. Stattdessen steht sie einfach auf, schüttelt sich und läuft weiter, die Stürmerin, als sei nichts gewesen. Es ist wie Straßenfußball, nur ohne Straße und mit mehr Taktik. Und für die Ästhetiker unter den Lesern: Das Ausspeien von überflüssiger Flüssigkeit auf den Rasen findet nicht statt.
Ich erinnere mich an ein Interview mit einer Nationalspielerin, die sagte: »Wir spielen für den Sport.« So einen Satz müsste ein männlicher Profi erst einmal über die Lippen bekommen, ohne dass sein Berater daneben steht und nervös mit den Augen rollt. Die Herren kicken längst in einer Parallelwelt, in der das Wort »Leidenschaft« inflationär verwendet wird, während das Einzige, was wirklich leidet, das Spiel ist.
Natürlich gibt es Kritiker, meistens Männer, die sagen: »Frauenfußball ist wie Männerfußball, nur in Zeitlupe.« Ich hingegen behaupte: Frauenfußball ist wie Männerfußball, nur mit weniger Ego und deutlich mehr Hirn.
Beispiele? Ja, bitte: Paul Breitner sagte tatsächlich, Frauenfußball sei unästhetisch. Wahrscheinlich ist ihm seine Mao-Bibel auf den Kopf gefallen. Auch die genialen Sprüche männlicher Leistungsträger im deutschen Fußball sind Kult: »Zuerst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu« (Jürgen Wegmann) und »Mailand oder Madrid, Hauptsache Italien!« (Andreas Möller).
Solche intellektuelle Hirnakrobatik sorgt für Kopfschütteln, ebenso wie der Blick in die Geschichte. Obwohl 1894 der erste britische Frauenfußballverein gegründet wurde, untersagte der DFB noch 1955 seinen Vereinen, Frauenfußball anzubieten. Die Begründung? »Ein Platz ist kein Ort für eine Dame«, »Fußball ist zu anstrengend für die zarte Frauenkonstitution«, so der damalige Präsident Peco Bauwens. Damals galt das allerdings als Verschlusssache. Erst 1970, im Jahr der Schlaghosen, Plateauschuhe und der Discomusik, wurde das Verbot aufgehoben.
Leistung muss natürlich belohnt werden. So erhielten 1989 die deutschen Fußballfrauen nach ihrem EM-Sieg als Prämie ein Kaffeeservice. Ich habe männliche Fußballer weinen sehen, wenn sie für ihren EM-Sieg »nur« Geld bekamen und kein schönes Service.
Ein großer Teil der Spielerinnen verdient heutzutage in der Bundesliga zwischen 2.000 und 4.000 Euro im Monat. Die Monatsgehälter im Männerfußball variieren zwischen 7.000 und 20.000 Euro. In den Spitzenklassen sprechen wir über ganz andere Dimensionen. Aber das ist natürlich gerecht, schließlich brauchen Männer Geld für Haus, Auto, Frau, Kinder, Bartpflege, Tattoos, Gaming und Selbstbewusstsein.
Und jetzt, wo bald die WM läuft und man sich wieder durch 37 Vorrundenspiele der Männer müht, bei denen ein 0:0 als »taktische Meisterleistung« verkauft wird, wünsche ich mir ein einziges Mal: Gebt den Frauen den Sendeplatz! Gebt ihnen das große Stadion, das viele Geld, das lauwarme Interview mit Olli Welke.
Ich verspreche Ihnen: Es wäre das erste Mal seit Jahren, dass ich 90 Minuten lang das Gefühl hätte, wirklich Fußball zu sehen.