Nachrichten aus Neuköllner Zeitungen vor 100 Jahren, bearbeitet von M. Rempe
Neuköllner Tageblatt, Freitag, 2.10.1925
Papierkörbe auf der Straße. Der Magistrat ist seit langem wiederum bedacht, Berlin zur saubersten Stadt der Welt zu machen. Die mangelnden Arbeitskräfte in der Kriegs= und Nachkriegszeit konnten nicht für eine sorgfältig Säuberung der Straßen sorgen, so daß die Straßenreinigung oft viel zu wünschen übrig ließ. Jetzt ist ja dieser Uebelstand ziemlich behoben, jedoch läßt es die Bevölkerung oft an der nötigen Reinlichkeit auf den Straßen fehlen. Der Berliner, der besonders gern Obst auf der Straße ißt, wirft achtlos die Obstreste, wie Bananenschalen, Fruchtkerne und schließlich auch das Einwickelpapier auf den Bürgersteig und Fahrdamm. Außer einer Gefahr für die Passanten bilden diese weggeworfenen Dinge eine unwillkommene Verunreinigung des Straßenbildes. Der Magistrat hat nun in den Hauptverkehrsstraßen eine große Anzahl von Papierkörben aus Drahtgeflecht anbringen lassen, in die in Zukunft jene Ueberreste ihren Platz finden sollen. Die Körbe sind an einem Holzpfahl befestigt, um das Stehlen zu verhindern. Wie bis jetzt bemerkt werden konnte, waren als erfreulicher Anfang schon einige Papier= und Obstreste in den Drahtkörben zu finden. Hoffentlich hat das Publikum die notwendige Selbstzucht und wirft in Zukunft die Abfälle in die Körbe und nicht mehr auf den Bürgersteig. Dann wird die Arbeit der Straßenreiniger bedeutend erleichtert, und Berlin wird wieder die sauberste Stadt der Welt.
Neuköllner Tageblatt, Sonntag, 11.10.1925
Das Warenhaus Joseph u. Co. in der Berliner Straße steht zur Feier seines 25 jährigen Bestehens im vollsten Festschmuck. Die Eingänge sind mit frischem Tannengrün bekränzt. In der Mitte von ihnen schwebt eine große »25«. Unzählige große und kleine Glühbirnen sind im Tannengrün versteckt und erstrahlen abends in blendender Fülle. Im Lichthof ziehen sich große Girlanden entlang, während in der Mitte auf schwarzem Hintergrund eine »25« aus Tannengrün im hellen Lichterschmuck strahlt. Auch in den Schaufenstern verkünden große Plakate das Geschäftsjubiläum. In einem billigen Jubiläumsverkauf bringt das Warenhaus seinen Käufern den Dank entgegen.
Neuköllner Tageblatt, Dienstag, 13.10.1925
Ein unglaublicher Roheitsakt. In der Nacht von Sonnabend zu Sonntag wurden in der Hagelberger Straße drei Herren, die in Begleitung einer Dame die Straße entlang gingen, von einem entgegenkommennen Manne angerempelt. Es entwickelte sich bald eine Schlägerei, in deren Verlauf der Angreifer seine drei Gegner zu Boden schlug und auf den Kopf des einen so heftig mit beiden Füßen eintrat, daß der Mann mit schweren Verletzungen besinnungslos liegen blieb. Dem herbeigerufenen Ueberfallkommando gelang es, in einer der Nebenstraßen den Rohling zu verhaften und ihn zur Polizeiwache zu bringen, wo er sich als ein gewisser Hoffmann aus der Möckernstraße 83 entpuppte, der der ganzen Gegend schon als Schläger und Radaubruder bekannt ist.
Neuköllnische Zeitung, Freitag, 16.10.1925
Dem Neuköllner Tierschutzverein E. V. gehen unter den Tierquälerei=Anzeigen, mit denen ein Einschreiten des Vereins zum Besten von Tieren beansprucht wird, auch häufig solche ohne Unterschrift zu. In den allermeisten Fällen, in denen anonyme Anzeigen erfolgen, stellt es sich heraus, daß böswillige Verleumdung oder sonst der Racheakt irgend eines »guten Freundes« vorliegt. Der Neuköllner Tierschutzverein E. V., der seine Tätigkeit ohne jedes Entgelt ausübt, kann die Zeit seiner rein ehrenamtlich wirkenden Vorstandsmitglieder und Inspektoren mit derartigen Versuchen zur Befriedigung privater Rachegelüste nicht verzetteln. Er sieht sich daher genötigt, die Oeffentlichkeit darauf hinzuweisen, daß anonyme Anzeigen ohne weiteres in den Papierkorb wandern. Wer nicht den Mut hat, seinen Namen zu nennen, hat meist verleumderische Absichten und verdient keinerlei Berücksichtigung.
Die Transkription der Zeitungstexte wurde mit Fehlern in der Rechtschreibung aus den Originalen von 1925 übernommen. Die Originale befinden sich in der Zentral- und Landesbibliothek, Breite Straße 30, 10178 Berlin.
»Joseph & Co.« – Luxuriöser Konsumpalast
Ein Warenhaus im Wandel
Die jüdischen Kaufleute Hermann Joseph und Sally Rehfisch gründen 1900 das Warenhaus »Joseph & Co.« in der Berliner Straße, heute Karl-Marx-Straße. Im Laufe der Jahre wuchs das Geschäft, zunächst mit Damenbekleidung, dann mit Herren- und Kinderbekleidung, später kamen Haushaltswaren, Schuhe und schließlich Lebensmittel und ein Café hinzu.

Jenseits des vielfältigen Warenangebots wurde das Publikum mit kulturellen Veranstaltungen ins Haus gelockt. So wurde das Haus zum größten Kaufhaus Neuköllns. Nach der letzten Erweiterung 1928 nahm die prächtige Jugendstilfassade die gesamte Straßenfront zwischen Neckar- und Jägerstraße (heute Rollbergstraße) ein.
1936 wurde das Warenhaus »arisiert« und von der »Max Friedland GmbH« übernommen. Hermann Joseph wurde ins Exil gezwungen.
Im Krieg wurde das Gebäude weitgehend verschont. 1950 erhielten Hermann Joseph und die Erben seines Geschäftspartners ihren Besitz zurück und für zwei Jahre wurde hier das »Kaufhaus Neukölln« eingerichtet.
1952 übernahm die Firma »Hertie« den Standort und baute das Haus in den Folgejahren komplett um. Von der Jugendstilfassade blieb nichts übrig. 1968 erfolgte der Abriss von vier Wohnhäusern in der Rollbergstraße, um das Kaufhaus nochmals, vor allem durch ein Parkhaus für 700 Autos, zu erweitern.
Im Dezember 2005 schloss das traditionsreiche Haus. Von 2008 bis 2010 entstand nach umfassenden Umbaumaßnahmen das heutige Büro- und Geschäftshaus.
mr