Nachrichten aus Neuköllner Zeitungen vor 100 Jahren, bearbeitet von M. Rempe
Neuköllner Tageblatt, Sonntag, 6.9.1925
Vermehrte Sauberkeit in den Zügen. Die noch immer sich wiederholenden Klagen über die Unsauberkeit in den Zügen, besonders in den Abortanlagen, haben, wie die Reichszentrale für Deutsche Verkehrswerbung erfährt, der Hauptverwaltung der Deutschen Reichsbahngesellschaft Anlaß gegeben, die zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Sauberkeit in den Zügen getroffenen Bestimmungen den Bediensteten erneut in Erinnerung zu bringen. Auch der Wasserversorgung in den Waschräumen soll von dem in Frage kommenden Personal besondere Aufmerksamkeit zugewendet werden.
Neuköllnische Zeitung, Sonnabend, 12.9.1925
Autobusse mit geschlossenem Oberdeck. Die Versuche mit neuen Autobus-Typen werden von der Allgemeinen Berliner Omnibus=A.=G. fortgesetzt. Von der nächsten Woche ab soll auf der Linie 5 (Stettiner Bahnhof – Steglitz der erste in Berlin gebaute Nieder=Autobus mit geschlossenem Oberdeck und seitlichem Einstieg verkehren. Der Wagen gleicht dem auf der gleichen Linie fahrenden amerikanischen Autobus, der ein geschlossenes Oberdeck besitzt. Dadurch wird bei ungünstiger Witterung eine volle Ausnutzung des Wagens ermöglicht und einer Ueberfüllung des unteren Teiles vorgebeugt.
Neuköllner Tageblatt, Dienstag, 15.9.1925
Gegen die Straßenverunreinigung durch Hunde. Das Bezirksamt Friedrichshain hatte sich in Verfolg eines Beschlusses der Bezirksversammlung vom 8. Oktober 1924 wegen energischer Maßnahmen gegen Hundebesitzer, deren Hunde die Straßen verunreinigen, an die Polizei gewandt. Die Polizei hat zugesagt, daß scharfe Strafmaßnahmen in der in Vorbereitung befindlichen neuen Straßenpolizeiverordnung gegen schuldige Hundebesitzer vorgesehen werden. Die Polizeibeamten sind schon jetzt angewiesen, unnachsichtlich derartige Uebertretungen zwecks Bestrafung zur Anzeige zu bringen. Die Verunreinigung der Straßen hat an zahlreichen Stellen so zugenommen, daß es geradezu ein Skandal ist. Die meisten Hundebesitzer sind leider noch immer der Ansicht, daß ihre Hunde ein Recht haben, die Straßen zu verunreinigen.
Neuköllnische Zeitung, Donnerstag, 17.9.1925
Ein Luxusflugzeug mit warmer Küche. Im Laufe der kommenden Woche wird ein Luxusriesenflugzeug in den Verkehr zwischen London und den kontinentalen Städten eingestellt werden. Das Flugzeug ist für 50 Fluggäste eingerichtet und wird als erstes Flugzeug mit einem Büfett für warme Speisen ersehen sein.
Neuköllnische Zeitung, Montag, 28.9.1925
Beinahe unter Blumen gestorben wäre dieser Tage eine schöne Tänzerin, die in einer Pension der Tauentzienstr. 6 wohnt, seit einiger Zeit jeden Abend in einem hiesigen Variété auftritt und die Herzen der Männerwelt durch einen Tanz, bei dem sie ihren Körper ziemlich unverhüllt zeigt, höher schlagen läßt. So konnte es denn nicht ausbleiben, daß ein Kavalier sich ihr nahte und ihr sein Herz, wenn auch nicht seine Hand, zu Füßen legte. Die Tänzerin erwiderte die Liebe des älteren Semesters. Doch auf Männertreue ist nicht zu bauen. Bald hatte er sie satt und ließ sich nicht mehr sehen. Das nahm sich aber die Tochter Terpsichorens so zu Herzen, daß sie beschloß, ihrem Leben ein Ende zu machen. Aber sie wollte in »Schönheit« sterben. Sie kaufte sich deshalb auf dem Markt am Wittenbergplatz eine große Menge Blumen, streute die Kinder Floras auf ihr Bett, zog sich aus und legte sich darauf. Schließlich gruppierte sie ihr blondes Haupthaar malerisch um Schultern und Hals und nahm eine Dosis Kokain. Als sie gegen Abend, zur Zeit, in der sie zur Vorstellung gehen sollte, ihr Zimmer noch nicht verlassen hatte, erbrach man gewaltsam die Tür und fand die Selbstmordkandidatin bewußtlos auf dem Bette vor. Ein herbeigeholter Arzt brachte sie bald wieder zu sich und flößte ihr Gegenmittel ein. Hoffentlich tröstet sich die junge Dame recht bald. Es dürfte ihr gar nicht schwer fallen, Ersatz für den Ungetreuen zu finden.
Die Transkription der Zeitungstexte wurde mit Fehlern in der Rechtschreibung aus den Originalen von 1925 übernommen. Die Originale befinden sich in der Zentral- und Landesbibliothek, Breite Straße 30, 10178 Berlin.
Sicher und geschützt vor der Unbill des Wetters
Die ersten geschlossenen Doppeldeckerbusse fahren durch Berlin
Schon die ersten von Pferden gezogenen Wagen im öffentlichen Verkehr der Stadt hatten Mitte des 19. Jahrhunderts Sitzplätze auf dem offenen Oberdeck, die über eine am Heck angebrachte Treppe zu erreichen waren. Auf das mit einer Reling versehene, oft gewölbte Dach der Eindecker wurden Sitzbänke geschraubt, um die Fahrgastkapazität zu erhöhen. Die Sicherheit der oben sitzenden Fahrgäste ließ jedoch zu wünschen übrig.
Frauen durften erst 1896 nach oben, aus Gründen der »Schicklichkeit«. Die Obrigkeit befürchtete, dass Männer unter die Röcke schauen. Auch die ersten Berliner Motorbusse hatten 1905 zwei Etagen, wobei die obere zunächst ebenfalls ohne Dach auskommen musste.

Die ersten »richtigen« Doppeldeck-Busse mit einem geschlossenen Oberdeck fuhren 1925 durch die Stadt. Die Fahrgestelle der Neuen stammten noch aus London und New York. Wenige Monate später wurde der erste deutsche Doppeldecker, zusammen mit den Nutzfahrzeugherstellern Büssing und NAG (Nationale Automobil Gesellschaft) entwickelt.
1927 erhielt die gleiche Berliner Firma einen Großauftrag für Omnibusfahrgestelle, die nach einem Konzept der »Allgemeinen Berliner Omnibus Aktien-Gesellschaft« (ABOAG) mit doppelstöckigen Aufbauten versehen wurden. 175 Busse der Baureihe D2 entstanden bis Ende 1928. Einige dieser Oldtimer waren noch bis in die Fünfziger Jahre im Einsatz, zwei sind bis heute erhalten.
mr