Deutscher Konzern profitiert vom Kolonialismus

Eine wissenschaftliche Arbeit beleuchtet den Woermannkonzern

Der deutsche Kolonialismus ist in Berlin durch eine Reihe von Straßennamen präsent. Einer davon ist die Woermannkehre im Industriegebiet an der Grenzallee. Bereits im Februar 2021 empfahl die Bezirksverordnetenversammlung Neukölln dem Bezirksamt, gemeinsam mit der Bürgerschaft und zivilgesellschaftlichen Organisationen eine geschichtliche Aufarbeitung des Straßennamens zu initiieren, denn kaum ein anderes Unternehmen war so lange Zeit und so eng mit der deutschen Kolonialherrschaft in West- und Südwestafrika verbunden wie der Hamburger Woermann-Konzern.

Kim Sebastian Todzi im Gespräch mit Matthias Henkel. Foto:mr

Als Ergebnis dieser Aufarbeitung soll eine den historischen Kontext erläuternde Texttafel oder Stele in der Straße aufgestellt werden. Eine Umbenennung der Straße sei aktuell nicht realisierbar, da dies für ein in der Straße ansässiges Unternehmen aufgrund dadurch notwendiger Neuzertifizierung von Produkten zu einer Bestandsgefährdung durch Kosten in Millionenhöhe und nicht abschätzbare Umsatzrisiken führen würde.
Um diesen Dialogprozess weiter zu treiben und den Beteiligten die Möglichkeit zu geben, sich eine Meinung zu bilden, hat das Museum Neukölln am 20. Oktober zu einer Buchpräsentation und Diskussion eingeladen. Kim Sebastian Todzi, Autor des in diesem Jahr erschienenen Buches »Unternehmen Weltaneignung. Der Woermann-Konzern und der deutsche Kolonialismus 1837-1916«, stellte seine Forschungsergebnisse in einem Gespräch mit dem Leiter des Neuköllner Museums Matthias Henkel vor.
Todzi beleuchtet das Familienunternehmen Woermann in seinem Buch von Anfang der 1880er Jahre
1860 übernahm Adolph von seinem Vater Carl Woermann ein florierendes Handelshaus mit einer Afrikaflotte. 1884 hatte sich C. Woermann zu einem der größten deutschen Handelshäuser in Afrika entwickelt. Es importierte von dort Palmöl, Palmkerne sowie Kautschuk im Tausch gegen Spirituosen, Waffen, Salz und Baumwollstoffe.
1884 wird »Deutsch-Südwestafrika« die erste Kolonie des Kaiserreichs. Woermann, das zeigt Todzi, war bei der Gründung des Kolonialreichs Mitte der 80er Jahre maßgeblich beteiligt.
Mit der Gründung der Woermann-Linie 1885 wurde der Konzern »zu einem Motor imperialer Globalisierung«. Und der Wandel vom Handels- zum Logistikunternehmen wurde für den Konzern zum guten Geschäft. Die Gewinne machten Adolph Woermann zum damals größten deutschen Privatreeder. Der privat gelenkte Woermann-Konzern und die deutsche Kolonialpolitik gingen eine »geradezu symbiotische Verbindung« ein, urteilt Todzi. Diese erreichte im Vernichtungskrieg gegen die Herero und Nama im heutigen Namibia von 1904 bis 1908 »ihren Höhepunkt«. Dabei wurden »die Woermann-Linie und ihre Leitung zu Ermöglichern des Völkermordes«. Die Reederei hatte für den Nachschub an Truppen, Ausrüstung und Pferden der deutschen »Schutztruppen« gesorgt. Und profitierte: Etwa 26,5 Millionen Mark flossen zwischen 1904 und 1908, den Jahren des Genozids, auf die Haben-Seite der Firma.
Bis heute unterhält C. Woermann Stützpunkte in Ghana, Nigeria und Angola und bietet seine Dienste auf seiner Website mit dem Slogan »Technisches Know-how in Afrika seit 1837« an.

mr
Kim Sebastian Todzi: Unternehmen Weltaneignung. Der Woermann-Konzern und der deutsche Kolonialismus 1837-1916. Wallstein Verlag, Göttingen 2023, 503 Seiten, 38 Euro.