Revolution für das Leben

Diplomatin Alexandra Kollontais ruheloses Wirken

Alexandra Kollontai war eine auffällige Kommunistin und Revolutionärin. Als junge Frau wird sie im neuen proletarischen Russland Volkskommissarin für Soziales und befindet sich mit Männern wie Bucharin, Lenin, Stalin und Trotzki in der Regierung der entstehenden Sowjet­union.
Bequem macht sie es den Männern nicht, sie eckt immer wieder an, weil ihre Ideen manchmal zu weit zu gehen scheinen. Der Begriff des Feminismus war dort nicht geläufig, sie selbst hat ihn nie verwendet, es gab ihn auch noch nicht.
Die Genossin Kollontai wird als Botschafterin die erste Frau auf internationalem Parkett, wieder unter lauter Männern. Diesen Beruf übt sie bis ans Lebensende aus, und Skandinavien wächst ihr besonders ans Herz.
Was bringt Alexandra Kollentai auf die politische Agenda? Es kann keine wirkliche Revolution geben, wenn die Gleichberechtigung der Frauen nicht wichtiger Bestandteil des Fortschrittes wird. Mutterschutz gehört dazu. Doch vor allem ist die Liebe neu zu verstehen. Mit der bürgerlichen Vorstellung davon, dieser romantischen, bricht sie. Dieses scheinbar romantische Bild besteht praktisch nur darin, dass Frauen Objekte männlicher Begierden sind, Männer kaufen sogar die Sexualität von Frauen. Demgegenüber hebt Kollontai die Solidarität hervor. Liebe geht nur solidarisch, und Frauen müssen ihr Leben eigenständig und für sich verdienen und leben können, statt nur den Background für Männer zu geben. Sie leitet einiges in die Wege. Was sich ganz einfach zu lesen scheint, ist mit vielen Schwierigkeiten behaftet, doch es lässt sich machen.
Die Genossin Kollontai lebt nicht für die Revolution, sondern macht »Revolution für das Leben«. Ihr Fazit lautet: »Es zog mich immer irgendwohin in die Zukunft. Ich beschied mich weder in der Arbeit noch in der Liebe. Alles das war mir zu wenig. Das möchte ich vermitteln. Ohne diese Ruhelosigkeit gibt es keinen Fortschritt.«

th
Alexandra Kollontai oder Revolution für das Leben, Herausgeberin Katharina Volk, Dietz Berlin 2022, Broschur, 12,00 Euro