Absurdität täglich in Labystan

Sächsische Gegenwartskunst auf Wahrheitssuche im »Hungerkünstlerïn«

Willkommen in Labystan! Am 16. Mai zog in die »Hungerkünstlerïn«-Räumlichkeiten der »Special Galerie Peppi Guggenheim International Berlin« im Rahmen einer Vernissage die Botschaft dieses Landes der Fantasie und Kreativität ein. Wer wollte, durfte sich sogar als Repräsentant einer persönlichen Botschaft des Landes in einem Registraturbuch verewigen lassen – vom Vollzeitkünstler Reinhard Zabka persönlich.

Klaus in Aktion.     Foto: Zabka

Er erlaubt hier ein kurzes Eintauchen in sein vielschichtiges künstlerisches Werk und das seiner Gefährten aus dem ostdeutschen Untergrund auf dem kreativen Fluchtweg zur »Friedlichen Revolution« und aus ihr hinaus ins Heute bis hin zum »Feurigen Finale«, stets poetisch, psychedelisch und politisch.
Befreundete Künstler wie Klaus Liebscher und Hilla Steinert unterhielten die zahlreichen Gäste mit Performances, er mit einem »Lapland«-Action-Painting direkt auf der Weichselstraße, sie mit überraschenden Geräuscherlebnissen.
Sächsisch-schelmisch und ohne ideologische Scheuklappen, bunt und spontan und doch immer durch ihren Alltagsbezug ästhetisch nachvollziehbar, präsentierte sich die kleine Auswahl aus dem immensen Oeuvre des Zabka-Umfelds. Von allem war etwas dabei, Skulpturen, Klang- und Apparat-Objekte, Montagen, Collagen, Prozesskunst, Drucken (hier imposant die Coronamaskenversion von Raffaels Madonna samt Putten), alles mit einer Leidenschaft für und vor allem gegen die ewigen Lügen geschaffen. Metaphernreich und skurril, das gefiel. Nicht nur den Labystan-Schlachtruf #11: »Das Nebensächliche macht Riesenfortschritte« (oder auch umgekehrt) nahmen die kunsthungrigen Besucher in der »Hungerkünstlerïn« gerne von diesem Abend mit. Und planen schon den Besuch der Elb-, Wein-, Karl-May- und Lügenmuseum-Stadt Radebeul.

Die Grüße von Überall.       Foto: André Wirsig

Zabkas oder auch Sir Richard von Gigantikows Museumsgeschichte begann im brandenburgischen Gantikow, wo er 1990 das erste und einzige Lügenmuseum der Welt eröffnete. Damit war klar, dass dieses Lügenmuseum auch das weltbeste war.
2012 musste er diesen Ort verlassen und konnte in den Gasthof »Serkowitz« in Radebeul einziehen. Hier fühlt er sich wohl, nahe dem Aufschneider Karl May, an einem Ort der Illusionen zwischen Wahrheit und Lüge.
Schon beim Betreten des Museums erwartet den Besucher ein Tee nach einem 900 Jahre alten Rezept von Hildegard von Bingen. Zabka erzählt gerne von seinem Konzept. Im Vordergrund steht das 120-jährige Huhn Emma, das aber gerade frei hat. Es hat die Aufgabe, die Gäste durch das Museum zu führen.
Reinhard Zapka hatte keine leichte Zeit in der DDR. Als anerkannter Hippie musste er seinen Personalausweis abgeben und erhielt einen Behelfsausweis, den er wöchentlich auf dem Polizeirevier vorlegen musste.
Gerade diese Geschichte spiegelt sich in den Kunstobjekten des Lügenmuseums wider. Mal rattert es, mal blinkt es, oder eine sich bewegende Feder kitzelt am Ohr. In einem Schrank verbirgt sich das Porträt von Elvis Presley, der Untergang der Titanic wird geräuschvoll untermalt. Mal lacht der Zuschauer, mal ist er erstaunt und verharrt im Raum, um alles zu erfassen. Alle Objekte sind schlicht überflüssig, vergleichbar mit einem abgestorbenen Baum, der keinen Nutzen bringt, wenn er entfernt wird.
Was für viele ein Museumserlebnis ist, ist für andere eine Ansammlung von Sperrmüll. So jedenfalls sieht es die Stadtverwaltung Radebeuls. Zabka und seine Mitstreiter müssen ständig um das Weiterbestehen des Lügenmuseums kämpfen. Es wird hoffentlich noch lange bestehen bleiben. Ein Besuch in Radebeul lohnt sich jedenfalls auch ohne Karl May schon wegen des Lügenmuseums.

hlb/ro
Die Labystan-Ausstellung ist noch bis zum 27.06. donnerstags bis samstags von 17 bis 21 Uhr in der Hungerkünstlerïn zu erleben. Oder auf Anfrage bei office@peppi-guggenheim.de.
Lügenmuseum Radebeul: Ehem. Gasthof Serkowitz, Krötschenbrodaer Str. 39, 01445 Radebeul
www.luegenmuseum.de