Kontroverser Obdachlosenleitfaden

Ein langer Weg zur Lösung des Wohnraummangels

Die einen stören sie, die anderen schauen weg, nur wenige helfen ihnen, den Obdach­losen. Bestmögliche Unterstützung bieten hauptsächlich Menschen aus sozialen Berufen in ihrer praktischen Arbeit sowie ehrenamtliche Helfer. Politiker versprechen, zur Verbesserung der Situation der Obdachlosen ihr Bestes zu tun.
Jetzt hat Bezirksstadtrat Falko Liecke (CDU) vor seinem Wechsel in die Landespolitik noch einen Leitfaden für den Fortgang mit obdachlosen Menschen herausgebracht, den ersten aller Berliner Bezirke, wie es in einer Pressemitteilung heißt. Er zog damit Kontroversen auf sich. Neben einer Bestandsaufnahme sieht der Leitfaden im Kern zwei Maßnahmen vor: Den Obdachlosen soll geholfen werden. Dazu findet aufsuchende Sozialarbeit statt, die auch auf Beratungsstellen hinweist. Es wird Verständnis für die Situation wohnungsloser Menschen signalisiert.
Auf kontroverse Diskussionen stößt allerdings alles weitere. Der Leitfaden benennt zum Beispiel Brennpunkte, an denen wohnungslose Menschen die Öffentlichkeit zu stören scheinen. Dazu zählen Kinderspielplätze, Parkanlagen und Friedhöfe.
An diesen Örtlichkeiten sollen zunächst Sozialarbeiter aufsuchend tätig werden und auf Anlaufstellen und Alternativen aufmerksam machen.
Danach kommt das Ordnungsamt, wohl auch mit Unterstützung der Polizei, und sorgt für die Räumung. Menschen aus anderen Ländern werden zur Rückkehr aufgefordert, da ihnen keine Sozialleistungen zustehen.
Aus normalerweise gut unterrichteten Kreisen erfuhr Kiez und Kneipe, dass im Bezirksamtskollegium die Wohnungslosigkeit sehr ernst genommen wird, auch das Engagement von Falko Liecke wird erwähnt, vor allem aber die einfühlsame Arbeit der Menschen in der Abteilung Soziales. Doch woher den nicht vorhandenen Wohnraum nehmen, lautet auch unter den Bezirksstadträten die große Frage.
Die Linke hebt in der BVV und in ihren Aktionen genau das hervor. Wegen steigender Mieten und sinkender Löhne laufe bereits die allgemeine Verdrängung von Menschen, denen nicht erst in der Inflation das Leben zu teuer werde. Mehr Tiny Houses als »Safe Places« dürfe nicht die Dauerlösung sein. Genauso sehen das die Aktivisten der Bewegung »Housing First«, die von Politik und Gesellschaft fordern, bis 2030 die Obdachlosigkeit zu beenden.
Die Jahresgesamtzahl wohnungsloser Menschen ist nach Schätzung der »Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe« von 237.000 im Jahr 2018 auf 256.000 im Jahr 2020 gestiegen, das ist ein Gesamtanstieg von acht Prozent. Dauerhafter Wohnraum wurde allerdings überwiegend noch nicht geschaffen. Zum Stichtag 31. Januar 2022 waren demnach in Deutschland rund 178.000 Personen wegen Wohnungslosigkeit untergebracht, beispielsweise in vor­übergehenden Übernachtungsmöglichkeiten oder in Not- und Gemeinschaftsunterkünften.

th
www.berlin.de/ba-neukoelln/politik-und-verwaltung/aemter/amt-fuer-soziales/hilfe-zum-lebensunterhalt-und-grundsicherung/artikel.286707.php