Karstadt zum Zweiten und zum Dritten

Wer trägt die Verantwortung am Warenhausdesaster – rechtlich und wirtschaftlich, sozial und politisch?

Wieder ist »Galeria Karstadt Kaufhof« in der Insolvenz – trotz Gewinnen im »Signa«-Konzern. Verdi attestiert Managementversagen und fordert endlich ein tragfähiges Standortkonzept. Im Abgeordnetenhaus formiert sich der Widerstand gegen die duldsame Senatslinie, denn eine bereits für »Signa« günstig abgeschlossene Vereinbarung bindet alle oder keinen.

Soll bleiben wie es ist.      Foto: Marlis Fuhrmann

Laut Neuer Zürcher Zeitung ist der »Signa«-Chef nicht mehr Alleineigentümer der Holding. Er beherrscht aber weiterhin informell das Geschäft mit der gewinnbringenden Immobiliensparte und dem Detail- und Warenhandel. Die Warenhauskette gehört ihm fast vollständig und von ihm ist abhängig, wie viel Geld aus Holding – und Privatvermögen – in die Sanierung fließt.
Nur wo Immobilie und Handel zusammenfallen, wie an Alexander- und Hermannplatz, besteht eine echte Bereitschaft zur Finanzierung. Das Interesse ist hoch spekulativ und das Risiko an Beschäftigte und öffentliche Hand ausgelagert.
Verdi kritisiert, dass das Management seiner Verantwortung nicht gerecht wird. Weder wurde ein zukunftssicherndes Konzept vorangebracht noch die zugesagten Investitionen ins Warenhausgeschäft getätigt. Hier waren allein für die Berliner Standorte 45 Mio. Euro vereinbart.
Für die Beschäftigten ist neben dem Arbeitsplatzerhalt ein existenzsicherndes Einkommen notwendig. Nach Einkommensverzicht sowie der aktuellen Inflation erscheint die Kündigung des Sanierungstarifvertrages unverhältnismäßig. Besonders den Frauen droht Altersarmut.
Dass Warenhäuser wirtschaftlich erfolgreich sein können, zeigt die spanische Ikone »Corte Ingles«. Jedenfalls sollten Angebot und Umbau in Absprache mit örtlichen Beschäftigten auf den Standort zugeschnitten werden. Dies könnte die Anpassung der selbst vertriebenen Sortimente, ein verbessertes Online-Angebot und ein darüberhinausgehender Nutzungsmix sein. Baulich wäre ein echter Galeriecharakter mit Tageslichteinfall und Aufenthaltsbereichen sinnvoll, dazu ein einladendes Äußeres und attraktive Schaufensterwerbung.
Oder doch ganz anders? Grüne, Linke und Teile der SPD sehen den Letter of Intent, das heißt die Vereinbarung mit dem Senat durch »Signa« gebrochen. Wer Warenhäuser schließen will, darf dafür keine Bauzusagen für Hochhäuser erwarten. Und wer die Grundlagenermittlung Hermannplatz und das Masterplanverfahren Karstadt am Investorenziel ausrichtet, verstößt gegen Bürgerinteressen. Denn ein etwaiges neues Baurecht hat unabhängig und städtebaulich sinnvoll zu sein.
Berlin muss notfalls selbst die Verantwortung für Standorte übernehmen, wie dies Mittelstädte bereits tun. Wenn es der Senat nicht kann, dann die Bürger in einem eigenen Rat. Ein erster Vorschlag für ein Luxus-Re-Use-Warenhaus am Hermannplatz liegt vor – natürlich im Bestandsgebäude.

Marlis Fuhrmann