Little Homes als Safe Places

Kleine Bleiben für wohnungslose Menschen

»Hey Ecki, wie geht’s dir?« Ich schaue zur Seite und sehe Florian grinsend an eine Mauer gelehnt. Wir kennen uns schon Jahre. Florian ist Straßensozialarbeiter und hatte damals frisch nach dem Studium als absoluter Grünschnabel bei uns im Kiez angefangen zu arbeiten.

Drei Quadratmeter Heim.      Foto: mg

Anfangs kam er ziemlich überheblich daher, meinte alles zu wissen und war sehr fix mit vorgefertigten Lösungen. Ihm ist nicht aufgefallen, wie bevormundend er dabei war. Ein paar Mal hat es ordentlich gerumpelt.
Eines Tages fand er mich bewusstlos und krampfend an meinem Stammplatz und alarmierte die Feuerwehr. Einen Tag später besuchte er mich in der Klinik, und wir haben lange geredet. Seitdem ist das gegenseitige Verständnis enorm gewachsen. Er ist da, wenn es brennt.
Flo war ganz aufgeregt und überschlug sich beim Erzählen. Der Bezirk führe ein neues Modellprojekt ein, um der Verantwortung wohnungsloser Menschen gegenüber gerechter zu werden. Es sollen im ganzen Bezirk dezentral mehrere »Safe Places« errichtet werden. Wohnungslose Menschen bekommen so die Chance, in sogenannten »Little Homes« zu wohnen und wettergeschützt eine Bleibe zu erhalten, mit dem Fernziel, eine eigene Wohnung zu beziehen. Drei Quadratmeter erst einmal.
Da ich aktuell keine Möglichkeit habe, irgendwo unterzukommen und ein kleiner abschließbarer Raum mit einer Kochmöglichkeit und Toiletten auf dem Gelände besser ist als bei Wind und Wetter draußen zu schlafen, werde ich aufmerksam. »Was muss man denn machen, um da ran zu kommen?«, frage ich zögerlich. Zu viele Hoffnungen wurden schon zerschlagen, jede weitere Ablehnung wiegt schwerer und schwerer. Man hat irgendwann keine Kraft mehr.
»Nun mach’s nicht so spannend und grins nicht so blöde!«, schnauzte ich zu Flo liebevoll los. »Is ja gut!« Er grinste immer noch. »Der Stadtrat für Soziales hat uns die Verantwortung der Bewohner­auswahl überlassen, und ich dachte direkt an dich. Was denkst du?« »Ich denke, dass heute Fortuna endlich auf meiner Seite steht. Wann geht’s los?«
Einen Tag später beziehe ich tatsächlich mein eigenes kleines Quartier. Es riecht noch nach frischem Holz, und alles ist ganz sauber. Es überkommt mich das Gefühl des Ankommens und auch des Umbruchs. Ich schließe hinter mir ab. Seit Jahren keine Privatsphäre gehabt zu haben, lässt die Stille in meiner Unterkunft gespenstisch wirken.
Die beiden anderen Häuschen stehen noch leer. Ich beziehe mein Bett und male mir vor dem Einschlafen aus, wie sich diese neue Wohngemeinschaft auf dem Platz zusammenfügen wird. Die eigene Wohnung scheint nicht mehr unendlich weit entfernt zu sein. In unendlicher Dankbarkeit zu Florian werden meine Augenlider schwerer, und der Schlaf legt sich wie eine warme Decke um meinen Körper.

mg