Aufklärung gefordert

Untersuchungsausschuss zu Brandanschlägen konstituiert sich

Ferat Koçak konnte nur dank rechtzeitiger Rückkehr zum Haus seiner Familie Schlimmeres verhüten. Sein Auto stand bereits in Brand, mühsam löschte er vor Eintreffen der Feuerwehr die Flammen, die sonst auf das Haus übergreifen und Menschen im Schlaf hätten töten können. Der Politiker der Linken fühlt sich weiterhin nicht sicher vor kommenden Anschlägen. Allen anderen Menschen, die bedroht werden, geht es ebenfalls so. Neben Brandanschlägen und Schmierparolen an den Häuserwänden gab es direkte Morddrohungen. Die Polizei konnte bisher nur zwei Täter zur Anklagebank bringen. Dazu zählt ein gewisser »Tilo P.« Er ist insofern geständig, indem er behauptet, »nur Schmiere gestanden« zu haben. Aus »Ermittlungsgründen« gibt die Polizei derzeit keine weiteren Details über weitere Hintermänner bekannt.
Ferat Koçak ist vom Abgeordnetenhaus Berlin als stellvertretendes Mitglied in den Untersuchungsausschuss gewählt worden. Schon kommt Widerspruch seitens des Verteidigers von »Tilo P.« »Ich werde die Angelegenheit Koçak vor das Verwaltungsgericht bringen«, äußerte dieser gegenüber dem RBB. Es deutet sich damit bereits an, dass die Arbeit des Untersuchungsausschusses durch Formalien blockiert werden könnte. Umstritten war von Anfang an unter den demokratischen Parteien, ob die AfD im Ausschuss Platz nehmen sollte, doch es geht aus demokratischen Gründen der parlamentarischen Geschäftsordnung nicht ohne diese Partei. Im Untersuchungsausschuss wolle sie offenlegen, dass sie mit »diesen Strukturen nichts zu tun« habe.
Seitens der Opfer sind die Erwartungen an den Mitte Juni konstituierten Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses hoch.
Es geht um die Aufklärung der Hintergründe der über Jahre erfolgten rechtsextremen Anschläge auf demokratische Menschen, Politiker und Politikerinnen. Ebenso wird der Frage nachgegangen, welche Rolle die Strafermittlungsbehörden oder einige ihrer Beamten gespielt haben. Licht ins Dunkel hat die Polizei noch nicht durchgreifend bringen können.
Miriam Blumenthal (SPD), Stadträtin für Jugend und Gesundheit, stellt klar, dass nicht nur sie Ergebnisse vom Ausschuss erwartet. Schon als Vorsitzende der Neuköllner »Falken« erlebte sie, dass auf das Haus dieser SPD-Jugendorganisation mehrfach Anschläge verübt wurden, es wird daher durch einen Sicherheitszaun geschützt.
Ferat Koçak beschäftigt bis heute eine Frage: »Warum wurde ich nicht vorab von den Sicherheitsbehörden gewarnt, obwohl es ganz klare Bedrohungen von rechts gegen mich gab?« Polizei und Verfassungsschutz hatten in seinem Fall über Wochen und Monate zwei Rechtsextremisten fest im Visier, hörten sogar mit, als diese Koçak überwachten und ausspähten, bis sie schließlich sein Auto und seine Adresse herausfanden. Dann brannte Koçaks Wagen. Niemand schritt vorher ein, niemand warnte ihn. »Ich möchte endlich wissen, warum das alles so geschehen ist«, sagte Koçak im Gespräch mit »rbb24 Recherche«.
Der Untersuchungsausschuss benötigt für seine Arbeit einschlägige Akteneinsicht gerade in die Arbeit der Polizei. Erst nach Eintreffen dieser Unterlagen werden die Mitglieder dieses Gremiums wissen, ob diese ohne »Schwärzungen« ankommen. Wenn doch mit, dann bleibt den demokratischen Abgeordneten und den Opfern der Anschläge nichts anderes übrig, als ihre schon vorhandenen Recherchen zu vertiefen und dadurch Licht ins Dunkel zu bringen.

th