Sein oder nicht sein

Eine philosophische Betrachtung

Sind wir existent, nur weil wir leben? Ich fühle mich oft nicht existent, obwohl Blut durch meine Gefäße rauscht und die Synapsen in meinem Kopf auf Hochtouren arbeiten. Trotz dieser eindeutigen Lebenszeichen weiß keiner, wer ich bin, und es würde mich keiner vermissen, wenn ich von heute auf morgen nicht mehr da wäre.


Das Sein im großen und ganzen Zusammenhang, die eigene Existenz, erscheinen auf der Metaebene bedeutungslos. Dennoch handeln die Menschen oft so, als sei ihr eigenes kleines Leben derart bedeutend für den Fortbestand des Universums. Völlige Überschätzung der eigenen Bedeutung. Egozentriert und selbstgerecht. Nur die eigenen individuellen Bedürfnisse im Vordergrund sehend, agieren die Menschen paradoxerweise konträr zu dem, was sie lautstark fordern. Dabei verinnerlichen sie nicht, dass jede eigene Handlung Konsequenzen für das große Ganze hat. Statt effizient zusammenzuarbeiten und gemeinsam eine Welt zu erschaffen, die für alle lebenswert ist, werden die eigenen Interessen priorisiert und die Konkurrenz um das Märchen der »großen Freiheit« zu Lasten der Mehrheit auf die Spitze getrieben. Die Maxime des kategorischen Imperativs scheint für alle anderen gelten zu sollen, jedoch nicht für einen selbst. Das Streben, die eigene Existenz über den Ruf unsterblich zu machen, scheint oft getrieben von Macht und Habgier.
Wären wir glücklicher, wenn wir weniger egozentrisch und mehr ganzheitlich miteinander agieren würden, und würde unsere Existenz so nicht genauso unsterblich werden, im Sinne kleinster Partikel im gewobenen Netz des Universums? Das sollte doch ausreichen. Wir wären sozial viel kompatibler und effizienter, wenn wir die eigene Existenz zu Gunsten der Schwarmintelligenz und der Gemeinschaft zurückstellten und bedingungslos akzeptierten, dass wir als Gesellschaft nur so stark sind wie die schwächsten Glieder einer Kette. Geht Gemeinschaft und ein soziales Umfeld nicht immer mit Verlusten der eigenen Freiheit einher? Wenn wir das im Familienverband akzeptieren und als Werte hochhalten, warum sind wir im Umgang mit nicht familiären Menschen so doppelmoralisch unterwegs?
Kindergeplärre reißt mich aus meinen Gedanken. Eine gehetzte Frau mit Kind an der einen Hand und Kinderwagen an der anderen drängt sich an mir vorbei. Sie raunt etwas von »Hauptsache nichtsnutzig im Weg sitzen«, und ihr Kind streckt mir die Zunge raus. Bevor ich auch nur darauf reagieren konnte, war sie auch schon wieder verschwunden. Ich denke mir »Quod erat demonstrandum» und muss unwillkürlich schmunzeln aufgrund dieser treffenden Begegnung mit bitterem Beigeschmack.

mg