Zufallsbekanntschaft aus traurigem Anlass

Suche nach dem einstigen Elternhaus in Britz

Wir wohnen sehr lange schon in Britz in der Krugpfuhlsiedlung, der Schwestersiedlung vom UNESCO-Weltkulturerbe Hufeisensiedlung. Im Dezember 2020 sprach meine Frau in der Hanne Nüte zwei Passanten an, die nicht das Reihenendhaus finden konnten, in dem bis Ende 1943 die Familie von Wolfgang K. zur Miete gewohnt hatte.

Eltern von Herrn K.     Foto: privat

Der nun 84-jährige wollte, solange es ihm noch möglich war, wenigstens einmal den Ort aufgesucht haben, an dem der Vater und sein jüngerer Bruder bei einem Bomberangriff im Dezember 1943 ums Leben kamen.
Nach dem Krieg wurden alle damals zerstörten Häuser wieder aufgebaut. Auch die Einfamilienhausreihe. Das Eckhaus des Blocks trägt aktuell die Nummer 43, die Familie damals bewohnte ein Eckhaus im Block, das hatte die Nummer 45. Heute fehlt diese völlig und Herr K. fragte, ob womöglich das ehemalige Elternhaus nicht mehr existiere und wo sich der Unglücks­ort befinden könnte. Als vermeintlich intimer Orts- und Geschichtskenner wurde ich hinzugezogen, aber auch ich konnte nicht ad hoc das Fehlen der Hausnummer erklären. Mir selbst war das bisher nicht aufgefallen, weshalb ich versprach, das zu klären.
In der Nacht des 29. Dezember 1943 bombardierten alliierte Fliegerstaffeln auch Britz. Familie K. suchte nicht im nahen Hochbunker Schutz, sondern war mit Nachbarn zusammen in einem »Hausbunker« in ihrem Vorgarten. »Der Erdbunker bestand wohl nur aus Holz«, so schrieb mir später Herr K., »gebaut von meinem Vater. Halb unter der Erde und mit Erdreich bedeckt. Er hatte einen Zugang mit Treppe und einen Notausgang am anderen Ende. An den Längsseiten befanden sich Bankreihen. Wir befanden uns alle in dem Bunker. Meine Mutter saß auf der Bank und hatte meinen Bruder auf dem Schoß. Ich saß neben ihr und einer älteren Frau aus der Nachbarschaft. Mein Vater stand vor uns. Er hatte seinen Sitzplatz einer Nachbarin überlassen.«
Dieser Bunker wurde verschüttet, wobei es zu den Todesfällen kam. Er überlebte verletzt, auch die Mutter. Im Hochbunker fanden sie Hilfe und auch für ein paar Tage eine Unterkunft, bis sie zu einer Tante nach Karlshorst ziehen konnten. So wurde Herr K. ein DDR-Bürger.
Meine Recherchen ergaben, dass die damalige 45 tatsächlich die heutige Nummer 43 ist. Um die Wiederaufbaukosten zu reduzieren, sind aus den zerstörten Einheiten für Einzelmieter Häuser mit zwei Mietparteien übereinander geworden. Das reduzierte die Anzahl der tatsächlichen Hauseingänge, so entfielen ein paar Hausnummern und andere wurden geändert. Inzwischen weiß Herr K., dass er doch vor dem richtigen Haus trauerte.

rr