Neue Akzente und Nahbarkeit

Die künstlerische Direktion des KINDL in neuen Händen

Kathrin Becker.    Foto: Nihad Nino Pušija 

»Meine erste Aktion war die Schließung des Hauses.« Das war im Februar 2020. Ein merkwürdiger Einstieg der neuen künstlerischen Direktorin Kathrin Becker in das »KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst«.
Sie löst Andreas Fiedler ab, der sich nach acht Jahren wieder freier Kuration widmet. Becker greift die Ideen von Fiedler auf, setzt aber auch neue Akzente und gibt dem Medium Video mehr Raum. Sie installiert eine permanente schwarze Box für Video­installationen. Einerseits ist ein ständiger Videoraum nachhaltig, und gleichzeitig wird damit der 400 Quadratmeter große Raum »Maschinenhaus M1« etwas kleiner. Das macht es gerade für junge Künstler und Künstlerinnen, deren Werk noch nicht so umfangreich ist, einfacher auszustellen.
Videoarbeiten sind Kathrin Becker ein dringendes Anliegen. Sie hat 20 Jahre das Videoforum im »Neuen Berliner Kunstverein« geleitet. Diese Affinität wird sie im KINDL weiter fortführen.
Stattfinden wird weiterhin ein Diskursprogramm mit Künstlergesprächen in deutscher oder englischer Sprache. Dieses Programm richtet sich an ein breites, aber auch akademisches Publikum. Auch Führungen in englischer Sprache werden angeboten, denn die Nachfrage im internationalen und touristischen Neukölln ist groß. Führungen in deutscher Sprache gibt es natürlich auch.
Ein weiteres neues Projekt besteht aus den »KINDL signs«. Es sind Schilder, die auf dem Kindl-Gelände zu finden sind. Auf ihnen findet der Besucher Daten zur Geschichte der Brauerei und dem Gebäude. Die internationalen Mitarbeiter haben in ihrer Muttersprache die Hinweise auf den Schildern hinterlassen mit einem deutschen Untertitel. Das Scannen des QR-Codes ist die Weiterleitung zu weiteren Informationen. Dieses spannende Projekt wird weiter ausgebaut.
Ganz nebenbei, es gibt für alle Architekturinteressierte Führungen, die sich nur mit dem Gebäude und nicht mit Kunst beschäftigen. Es ist wie Baukunst schauen ohne Kunst.
Becker hat den Anspruch, Werke internationaler zeitgenössischer Kunst auf hohem Niveau zu zeigen, und gleichzeitig ist ihr wichtig, die bodenständige Vernetzung in der Umgebung zu fördern. Das macht sie mit großem Engagement. So soll das KINDL für die Neuköllner nahbar sein und nicht der rote Teppich ausgerollt werden. Damit ist gemeint, dass nach einer Ausstellungseröffnung Besucher, Kuratoren und Künstler zusammen und im Gespräch bleiben. Damit schlägt sie einen Bogen zu Vernetzung aller.
Ebenso ist es ihr eine Herzensangelegenheit, an alle Neuköllner heranzukommen. Mit der Ausstellung »50 Gramm«, zu der jeder einen Gegenstand, der 50 Gramm wiegt, abgeben konnte, gelang ihr das perfekt. Aus allen Neuköllner Gruppen kamen 50-Gramm-Päckchen, die an einem großen Mobile aufgehängt wurden. Da auch Schulen an diesem Projekt beteiligt waren, gab es eine bunte Bevölkerungsmischung, die das Kunstwerk betrachtete.
Im Fokus werden zukünftig stärker gesellschaftliche und politische Themen stehen. Das zeigt sich in den nächsten Ausstellungen. Zunächst ist eine Ausstellung über die Dekolonialisierungen in Nordeuropa geplant. Künstler aus nordischen Minderheiten wie die Samen und Inuit stellen ihre Werke aus. Gleichzeitig stellen internationale Künstler aus, die sich mit diesem Thema beschäftigen.
Kathrin Becker möchte, dass das KINDL nahbar bleibt.

jr/ro
KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst
Am Sudhaus 3
12053 Berlin
Mi 12 – 20 Uhr
Do – So 12 – 18 Uhr