Alexandra Bircken und Tatjana Doll im Kess

Leder und Latex kontrovers

Zwischen Laboratorium und Club, so fühlt es sich an, in der neuen Installation im riesigen Kesselhaus des KINDL zu stehen. Trotz der Größe und Lichte des Raumes entsteht ein Gefühl von Bedrücktheit und Unbehagen.

Foto: Jens Ziehe

Schwarze menschliche Hüllen aus Baumwolle mit Latex überzogen liegen, stehen und hängen an Wand, Boden und in der Luft. Die Künstlerin Alexandra Bircken, in deren Werk Körper, Hülle und Haut eine zentrale Rolle spielen, erarbeitete die ortsspezifische Installation »Fair Game«. Zwischen den schwarzen Figuren, stehen Bierfässer, die an eine Zeit erinnern, in der wilde Partys möglich waren, Straußeneier mit heraushängenden Lunten werden zu Molotowcocktails, markieren den Uterus, Glaskörper, deren Inhalte reagenzglasmäßig anmuten, deuten Transformationen an. Die zentrale Figur, »The Tourist« ist ein Hybrid aus Motorradkleidung, Strick, Strumpfhosen und einem Geweih aus Auspuffteilen, bewaffnet mit einem Säbel. Im Soundtrack der Installation »Ultraschall« von Thomas Brinkmann ist ein durchgängiger Pulsschlag tragendes Element, hinzu kommen Gesprächsfetzen und Alltagsgeräusche. Bircken, die in München und Berlin lebt, beschließt ihre Werke nicht, sondern nutzt Teile aus vergangenen Arbeiten, modifiziert diese, entwickelt sie weiter und stellt sie in einen neuen Kontext. Der Bezug zum aktuellen Weltgeschehen drängt sich förmlich auf und lässt uns an Afghanistan, die Pandemie, Abtreibungsdebatten und die Klimakatastrophe denken.

Foto: Jens Ziehe

Die beeindruckende Nutzung des kompletten Raumes ist fast schon cineastisch, als könnten die Figuren plötzlich anfangen, sich langsam zu bewegen, miteinander und mit dem Betrachter zu agieren.
Im Maschinenhaus 2 legt sich eine scheinbare Ruhe in die Räume, vorerst – denn beim näheren Betrachten der Ausstellung »Was heißt Untergrund« von Tatjana Doll wird die Unruhe in sozial-politischen Themen deutlich. Die zumeist großformatigen Malereien entzieht sie ihrem vorherigem Kontext, ordnet sie neu und bringt sie damit in eine neue Betrachtungsweise. Sie nutzt Bilder aus dem öffentlichen und kunstgeschichtlichen Raum – Hauptwerke der Kunstgeschichte, Logos, Piktogramme und technische Geräte wie zum Beispiel Flugzeuge – werden von ihr übernommen und in lakonischer und roher Malweise mit Lack- und Ölfarben umgesetzt. Sie bricht sie auf und setzt sie in einen aktuellen Kontext, so wird aus einem eigentlichen Warnschild vor hohen Wellen an einem Strand durch eine Verzerrung auf der Leinwand eine Übertragung auf den Klimawandel und die Krise im Mittelmeer. Eine weitere Arbeit zeigt einen Kampfjet auf mehreren Leinwänden gemalt und in ‚unrichtiger‘ Reihenfolge an die Wand gebracht, damit bleibt die Aussage konstant, wird jedoch umgekehrt – ein zerstückelter Kampfjet. Daran schließt sich eine Videoarbeit von Doll, eine Animation, in dem ein Eurokampfjet auf den Betrachter zufliegt – eine nicht entfernte Dimension unserer aktuellen Situation.
Beide Ausstellungen lassen den Besucher mit großen Eindrücken weiterziehen.

jr
»Was heißt Untergrund« – Tatjana Doll
bis 27. Februar 2022
»Fair Game« – Alexandra Bircken
bis 15. Mai 2022
Öffnungszeiten:
Mi 12:00 – 20:00
Do – So 12:00 – 18:00
Bitte beachten Sie beim Besuch unserer Ausstellungen die geltenden Hygieneregeln.
Eintritt 5 / 3 €
Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren Eintritt frei
Jeden ersten Sonntag im Monat Eintritt frei
KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst
Am Sudhaus 3