Vom Späti zu »Janas Coffee Lounge«

Kaufmann Ali ist geschäftlich flexibel

Ali steht häufig in der Tür seiner Bar namens »Janas Coffee Lounge« in der Kie­nitzer Straße 114, oder er sitzt an einem Tisch und trinkt Tee, raucht stets eine Filterzigarette.

Prost!      Foto: jr

Seit 20 Jahren wohnt und arbeitet er dort, als Inhaber einer Videothek und eines Spätkaufs. »Der Späti hat sich nicht mehr dauerhaft rentiert, der Wettbewerb mit den größeren Läden ist zu stark.« Der gestandene Kaufmann bietet weiterhin Carry-out-Getränke wie Bier zu Späti-Konditionen an, setzt aber auch auf den Barbetrieb mit ortsüblichen Preisen. Cocktails sind seine Spezialität, trockene Weine und Markenbiere laufen ebenfalls. Ohne Zigarettenautomat geht es nicht, und offenbar darf auch ein Spielautomat nicht fehlen.
Das Publikum ist überwiegend jung und international, Englisch, Spanisch, Französisch und Polnisch werden gesprochen. »Janas Coffee Lounge« liegt zwischen einem vietnamesischen Restaurant und einem sudanesischen Imbiss. Es ist möglich, Speisen mitzubringen und die Getränke bei Ali zu genießen. Im Kern belebte sich in diesem Sommer das Geschäft, doch drei dunkle Wolken am Horizont verbleiben.
»Was wegen Corona im Herbst und Winter passiert, ist nicht sicher. Vielleicht kommt wieder Lockdown. Dann stehe ich wieder hinter der Sperre und händige zum Mitnehmen aus.« Unklar bleibe ebenfalls, wie sich die Mieten in dem Eckhaus an der Kienitzer Straße/Schillerpromenade entwickeln. Ein Investor hat es »erworben« und vermarktet »Eigentumswohnungen«.
Ali hat die deutsche Staatsbürgerschaft. Er war verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder, die ihm unter die Arme greifen. Über sein Herkunftsland Türkei ist er besorgt. Er kam 1977 nach Deutschland, als sein Vater die Familie »nachholte«, seine Mutter und zwölf Kinder. »Ich war fünfzehn. In der Schule schnitt ich schlecht ab, so hereingeworfen in alles. Ein Lehrer konnte Türkisch und machte mit mir Tests. Alle waren recht gut. Seiner Empfehlung, für zwei Jahre zurückzugehen und dann wiederzukommen, bin ich nicht gefolgt. Ich wollte für meine Familie arbeiten. Das habe ich nie bereut.«
Die jetzige Türkei unter Erdogan sieht er nicht mehr als Demokratie. »Es wurden fast dreihundert Frauen ermordet, weil sie sich von ihren Männern trennen wollten. Dafür kommen die Männer nach zwei Jahren frei. Politische Gegner kommen aus dem Gefängnis nicht mehr heraus. Es geht Angst um.«
Ali ist Alevit, eine muslimische Glaubensrichtung, in der Burkas und Kopftücher für Frauen nicht vorgeschrieben sind, die dennoch durchaus traditionell ist.

th