Politiker zur Wahl

Cooles Habitat der Hauptstadt-Hipster

Wahlkreis 1 im Überblick

Der Wahlkreis 1 reicht vom Reuterkiez zwischen Landwehrkanal, Kottbusser Damm und Donaustraße bis zum Gewerbegebiet Ederstraße, wo sich neben Industrie und Gewerbe auch Sportanlagen und eine Kleingartenanlage befinden.


Charakteristisch ist der hoch verdichtete Altbaubestand im Gründerzeitstil mit Vorderhäusern, Seitenflügeln und Quergebäuden, der dem Reuterkiez seinen ästhetischen Charme verleiht.
Seinen Namen erhielt der Kiez nach dem zentral gelegenen Reuterplatz, der nach dem niederdeutschen Schriftsteller Fritz Reuter benannt wurde.
Lange Zeit galt der Norden Neuköllns als Problemviertel mit hohem Arbeitslosenanteil. Der Anteil an Bewohnern mit Migrationshintergrund lag im Jahr 2015 bei über 45 Prozent. Kulturelle und soziale Spannungen sorgten für einen Dauerbrennpunkt. Bekanntestes Beispiel ist die Rütli-Schule, die 2006 durch interkulturelle Gewalt bundesweit Schlagzeilen machte.
Niedrige Mieten lockten Studenten und Künstler, die sich Kreuzberg nicht mehr leisten konnten, nach Neukölln. In ihrem Gefolge machten reihenweise neue Kneipen und Cafés auf.
Mittlerweile ist der einstige Problemkiez cool geworden. Unzählige Bars, Restaurants und Galerien sind hier beheimatet. Auf dem Markt am Maybachufer kann man jeden Dienstag und Freitag von Obst, über Gemüse bis zu Stoffen und Blumen ungefähr alles kaufen und auch sonst ist der Landwehrkanal einer der beliebtesten Orte, um einen kleinen Spaziergang zu machen.
Die Rütlischule hat sich inzwischen zu einem Bildungsleuchtturm entwickelt. Bewacht wird sie von zwei Riesenfröschen, die sich an der Weserstrasse vor dem Kinder- und Jugendclub Manege aufbauen.

Rütli-Frosch.     Foto: mr

Die vielen Freizeitmöglichkeiten und der hippe Ruf ziehen Studenten, Weltenbummler und Kreative aus dem Ausland an, was dazu führt, dass heute fast ein Drittel aller Bewohner keinen deutschen Pass besitzt. Der Kiez zählt damit zu einer der internationalsten Gegenden der Stadt.
Neben dem Schillerkiez ist der Reuterkiez einer der Hauptgründe dafür, dass Neukölln mittlerweile zu einem der begehrtesten Stadtteile der Hauptstadt geworden ist.
Die dadurch entstehende Wohnungsknappheit und die gleichzeitig beginnende Sanierung der Häuser führten zu rasant steigenden Mieten gerade im unteren Preissegment. Die Ärmsten der Armen müssen das Gebiet verlassen, während sich etwas weniger Arme die Mieten gerade noch leisten können. Inzwischen setzt sich diese Entwicklung auch in den südlichen Gebieten um Hertzbergplatz und Treptower Straße fort.

Was die Neuköllner wissen sollten

1. Unterstützen Sie die bezirklichen Vorkäufe zugunsten der städtischen Wohnungsbaugesellschaften? Welche anderen Vorschläge haben Sie für den Bau bezahlbarer Wohnungen?
2. Wie wollen Sie nach der Coronakrise den wirtschaftlichen und kulturellen Aufbau ankurbeln?
3. Wie unterstützen Sie eine Verwaltungsreform, um die Bezirksämter zu stärken und um eine klare Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Senatsverwaltung und Bezirken zu erreichen?
4. Was möchten Sie im Bereich Verkehr verbessern, um die Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer zu erreichen? Wie unterstützen Sie den Weiterbau der Straßenbahn zum Hermannplatz?
5. Wie berücksichtigen Sie die Bedürfnisse von Minderheiten in Ihrem Wahlprogramm?
6. Wie soll die Sicherheit vor Kriminalität gewährleistet werden?
7. Wie sollen Schulen in die Lage versetzt werden, zukünftig die neuen Technologien besser einzusetzen?
8. Was ist in Ihrem Wahlkreis aus Ihrer Sicht am wichtigsten?

Timo Schramm – SPD

1. Profitgier am Wohnungsmarkt und die damit verbundene Verdrängung bedrohen unsere Berliner Mischung. Deshalb muss der bezirkliche Vorkauf finanziell ausgebaut werden. Es war ein massiver Fehler, dass städtische Wohnungen im großen Stil verschleudert wurden. Daher ist auch die Vergesellschaftung eine klare Option für mich. Außerdem brauchen wir sozial nachhaltigen Neubau. Ich setze mich für das Programm der »Neuen Wohngemeinnützigkeit« ein, mit einkommensbezogenen Mieten, dauerhafter Sozialbindung und Profitbeschränkung.
2. Nicht erst seit der Finanzkrise in Griechenland wissen wir, dass man sich aus einer Krise nicht heraussparen kann. Ich setze mich für eine Investitionsoffensive in die soziale Infrastruktur Berlins ein. Also massive Investitionen in Bildung, Wohnen, Gesundheit, Mobilität und auch Kultur. Es geht darum, nachhaltiges Wachstum anzustoßen. Finanziert wird dies über langfristige Kreditlinien (30-50 Jahre) und über Umverteilung von oben nach unten.
5. Ich bin überzeugt, dass ein buntes Miteinander unterschiedlicher Lebensentwürfe und kultureller Einflüsse für unsere Gesellschaft bereichernd ist. Das macht es aber auch mal komplexer. Deshalb müssen Verständnis und Empathie von klein auf gelehrt und gefördert werden. Homo-/Transfeindlichkeit und Rassismus müssen gleichzeitig strukturell zurück gedrängt werden, beispielsweise mit dem Landesantidiskriminierungsgesetz.
6. Wir brauchen eine gut ausgebildete und ausgestattete Polizei. Aber Kriminalität ist ein soziales Phänomen, dass sich durch Perspektivlosigkeit und Armut nährt. Deshalb setze ich mich für Teilhabe aller ein und will unsinnige Arbeitsverbote abschaffen.
8. Neukölln hat riesiges Potenzial. Wenn wir die solidarische Nachbarschaft stärken und aktivieren, dann können wir Wegbereiterin für ganz Deutschland sein. Ich will daran mitarbeiten, unser Potenzial voll zu nutzen.

Lucy Redler – DIE LINKE

1. und 8. Das wichtigste Thema im Kiez sind die horrend hohen Mieten. Ich erlebe, wie Heimstaden und andere Immobilienkonzerne im Reuterkiez ganze Straßenzüge aufkaufen – mit katastrophalen Folgen für die Mieter*innen. DIE LINKE unterstützt als einzige Partei ohne Wenn und Aber den Volksentscheid »Deutsche Wohnen & Co enteignen«, steht für preiswerten kommunalen Wohnungsneubau und einen wirksamen bundesweiten Mietendeckel. Der Milieuschutz muss auf ganz Neukölln ausgeweitet und das Vorkaufsrecht der Bezirke qualitativ verbessert werden – mit gedeckelten Verkaufspreisen für die Bezirke.
4. Mobilität muss für alle zugänglich, das heißt barrierefrei, preiswert und klimagerecht gestaltet sein. Wir brauchen mehr sichere Radwege. Die S-Bahn gehört in öffentliche Hand und der ÖPNV muss ausgebaut werden. Dazu gehört auch die Verlängerung der Straßenbahn bis zum Hermannplatz. Mein Ziel ist Nulltarif im ÖPNV.
5. In Neukölln leben Menschen aus über 160 Nationen. Viele Kinder, so auch meine Tochter, haben einen Migrationshintergrund. Ich stehe für gleiche Rechte für alle hier lebenden Menschen: angefangen beim Wahlrecht und beim Bleiberecht. Racial Profiling und die rassistische Clandebatte wollen wir bekämpfen. Die echten Clans sind die Reichen und Superreichen.
7. Als Lehrerin erlebe ich, wo die Schulen bei der Digitalisierung stehen. Um allen Schüler*innen und Lehrkräften digitale Teilhabe zu ermöglichen, sind millionenschwere Investitionen nötig. Ohne mehr Personal nützt aber die beste Digitalisierungsoffensive nichts. Für gute und gerechte Bildung brauchen wir eine Ausbildungsoffensive für Lehrkräfte, Erzieher*innen und Sozialarbeiter*innen. Ich unterstütze daher die Kampagne »Schule muss anders« und die Forderung der GEW nach einem Tarifvertrag Gesundheitsschutz, der echte Entlastung bringen soll.

Sabine Güldner – CDU

1. Die CDU unterstützt die bezirklichen Vorkäufe nicht. Diese sind unwirtschaftlich und schaffen keinen neuen Wohnraum. Die CDU hat mit dem Masterplan Wohnen ein umfassendes Konzept vorgelegt, das neben Neubau auch auf die Unterstützung von Mietern setzt.
2. Nach den langen Monaten schwerer Einschnitte hat diese Stadt Lust auf mehr. Berlin wird wieder aufblühen, und die Politik muss das zulassen. Kluge Investitionen und staatliche Unterstützung, wo es erforderlich ist, werden Handel, Tourismus und Kultur wieder stark machen.
4. Wir müssen die Bedürfnisse aller Verkehrsteilnehmer im Blick haben und jede Entscheidung, jeden Straßenzug, jede Ecke in Neukölln gut und in jeglicher Hinsicht bedenken. Verkehr sollte für die Menschen gedacht werden. Wir wollen die Verkehrsteilnehmer nicht gegenein­ander ausspielen. Wir unterstützen den Bau der Straßenbahn zum Hermannplatz nicht. Wir wollen den unverzüglichen Weiterbau der U7 bis zum Flughafen BER!
5. Ich glaube an den unendlichen Wert jedes Menschen, in jedem Moment! Schon von Berufswegen bin ich es gewohnt, alle Menschen im Blick zu haben. Die vielen lauten Stimmen und die wenigen Stillen am Rand, die womöglich keine Worte haben. Die CDU ist eine Partei für alle und mit allen und Berlin von je her eine Stadt des Zusammenhalts und der Vielfalt.
8. Die Sicherheit in Neukölln liegt mir besonders am Herzen. Das betrifft nicht nur die Sicherheit auf der Straße und im ÖPNV, sondern auch die Sicherheit der wohnortnahen Versorgung mit allen Bedarfen, verträgliche Mieten, Erholungsräume, guter ÖPNV, gute Luft, saubere Kieze sowie Spiel-und Sportstätten, starke Schulen und so viel mehr.

André Schulze – Bündnis 90 / Die Grünen

1. Dank des grünen Stadtrats Jochen Biedermann konnten in den letzten Jahren über 800 Wohnungen durch Vorkauf gesichert und der Spekulation des Marktes entzogen werden. Diesen Weg will ich fortsetzen und die Bezirke bei der Ausübung des Vorkaufsrechts und dem gezielten Ankauf von Wohnungen stärken. Landeseigene Grundstücke sollen nur noch an gemeinwohl­orientierte Bauträger vergeben und private Investoren konsequent zur Schaffung von preisgebundenem Wohnraum verpflichtet werden.
4. Die begonnene Umverteilung des öffentlichen Straßenraums will ich fortsetzen: Neben dem Ausbau von Radwegen und Fahrradstraßen unterstütze ich die Idee von Kiezblocks, um Durchgangsverkehr von Autos aus den Kiezen herauszuhalten, Rad- und Fußverkehr zu stärken und neuen Raum für die Anwohnenden zu schaffen.
Mit dem Bau der Straßenbahn zum Hermannplatz wird eine wichtige ÖPNV-Verbindung geschaffen. Ich will auch die Planungen für eine Tram auf der Sonnen­allee weiter vorantreiben.
5. Wir wollen auch in der kommenden Legislaturperiode den Antidiskriminierungsschutz weiter stärken, die Verwaltung diverser machen und Rassismus in den Sicherheitsbehörden bekämpfen. Berlin als vielfältige und solidarische Stadt – das soll sich in allen Politikfeldern widerspiegeln.
7. Neben einer besseren technischen Ausstattung braucht es vor allem Angebote und genügend Zeit für Lehrkräfte zur Weiterbildung und Weiterentwicklung von Unterrichtskonzepten. Nur so können sie die Potenziale der Digitalisierung sinnvoll in den Unterricht integrieren.
8. Zentral sind der Kampf für bezahlbaren Wohnraum und die Verkehrswende. Und auf der Bundesebene braucht es eine Reform des Gewerbemietrechts, um die Verdrängung gerade kleiner Läden und sozialer Infrastruktur zu stoppen. Die Abschaffung von Hartz IV und die Etablierung einer bedarfsgerechten Garantiesicherung sind überfällig.

Roland Leppek – FDP

1. Nein, mit dem bezirklichen Vorkaufsrecht entsteht keine einzige neue Wohnung. Senat und Bezirksamt sollten bauen statt regulieren. Zumindest Bauen durch private Investoren ermöglichen durch Freigabe von ausreichend Flächen aus Landesbesitz. Zudem müssen Baugenehmigungsverfahren vereinfacht und beschleunigt werden. Es gibt reichlich Baulücken, die geschlossen werden können, und in Neukölln sollte es ermöglicht werden, Dachgeschosse auszubauen. Wenn Senat und Bezirksamt das vorhandene Potential an Flächen und Möglichkeiten heben würden, wäre es gar nicht notwendig, das Tempelhofer Feld zu bebauen.
2. Der Aufschwung Neuköllns in den vergangenen Jahren ist insbesondere der Verdienst von mutigen Gastronomen und der freien Kulturszene. Sie benötigen Freiräume, um ihre Kreativität zu entfalten. Wenig Bürokratie, wenig Gängelung durchs Ordnungsamt. Ganz besonders wichtig sind mir unsere Spätis, die endlich in Sachen Öffnungszeiten vom Senat unterstützt werden müssen.
3. Ich plädiere für das politische Bezirksamt, also die Wahl der Bezirks­amtsmitglieder durch die Mehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung. Nur so erreichen wir eine klare Verantwortungszuordnung und eine effektive demokratische Kontrolle.
4. Ich setze mich für eine sichere Fahrradinfrastruktur ein. Dort wo es möglich ist, sollte diese auf Parallelstraßen geschaffen werden, zum Beispiel auf der Weserstraße parallel zur Sonnenallee. Dort, wo das nicht möglich ist, beispielsweise auf der Hermannstraße, ist auf eine intelligente und sichere Verkehrsführung zu achten, die auch die Interessen der FußgängerInnen und AutofahrerInnen berücksichtigt. Einfach Fahrradstreifen zu bepinseln, schafft nur eine vermeintliche Sicherheit. Keine Tram.
8. Neukölln wäre noch lebenswerter, wenn es nicht so viel Müll in den Straßen und Grünanlagen gäbe.