Petras Tagebuch

Die Rückkehr der Kannen

Zur Zeit vertrete ich meine Freundin auf dem Friedhof, um dort im muslimischen Teil ein Grab zu pflegen. Das Grab befindet sich auf dem Garnisonfriedhof und liegt tagsüber in der Sonne. Erst am Abend entsteht ein Schatten, den ich ausnutze, um die Blumen zu gießen. Zur Zeit ist diese Arbeit täglich notwendig.
Nun hat dieser Friedhof eine so ganz eigene Atmosphäre. Anzutreffen sind hier interessierte Spaziergänger, Tierbe­obachter, Schmetterlingsfotografen und nur sehr wenige Menschen, die sich um die Gräber kümmern. Entsprechend sehen manche Grabstellen recht verwahrlost aus.
Als ich vor Kurzem wieder dort war, um meiner Blumengießpflicht nachzukommen, waren die Gießkannen verschwunden. Es gibt in diesem Teil des Friedhofes zwischen drei und fünf Gießkannen, die entweder an einem Grab oder verteilt an mehreren Gräbern stehen. Sie können sich aber auch im Gebüsch versteckt halten.
An diesem Tag war meine Suche erfolglos. Ich ging zwischen den Gräbern hin und her, schaute aus unterschiedlichen Perspektiven, konnte aber keine Kanne entdecken. Auch im Gebüsch fand ich außer einem Ball und einer Schaufel nichts. Was ich jedoch bei der Sucherei entdeckte, war ein Grab voll mit Maiglöckchen. Sie waren zwar verblüht, aber für das nächste Jahr habe ich mir den Platz gemerkt, um mir dann ein hübsches Sträußchen zu pflücken.
Ich setzte mich ans Grab und dachte über Gießgefäße nach – und sah zwei Grabblumenvasen. Eine solche Vase fasst etwa einen Liter Wasser. Das bedeutete für mich, dass ich 30 mal zur Wasserstelle laufen müsste, weil ich immer 60 Liter auf das Grab gieße.
An der Wasserstelle angekommen war ich angenehm überrascht: Griffbereit standen drei Gießkannen da und warteten schon auf mich.