Politiker zur Wahl

Zwischen Wiesenmeer und Einkaufsmeile

Wahlkreis 2 im Überblick

Der Wahlkreis 2 reicht von der Karl-Marx-Straße bis zum Tempelhofer Feld und von der Ringbahn bis zum Herrmannplatz, ein dicht besiedeltes Gebiet mit quirligen Einkaufsstraßen und hippen Ausgehvierteln.


Dem Schillerkiez zwischen der belebten Hermannstraße und dem weitläufigen Tempelhofer Feld verleihen prächtige Fassaden, platanengesäumte Bürgersteige und eine Promenade mit Parkbänken und Blumenrondells ein großbürgerliches Flair. Die Promenade führt vom Columbiadamm über den zentralen Herrfurthplatz mit der Genezarethkirche direkt auf das historische Gebäude der ehemaligen Ingenieurschule für Bauwesen zu, das heute die »Carl-Legien-Oberschule« beherbergt.
In den vielen kleinen Querstraßen des Schillerkiezes findet sich eine Bar- und Restaurantvielfalt wie in kaum einem anderen Neuköllner Kiez. Und am Ende der Herrfurthstraße liegt dem Flaneur das imposante Tempelhofer Feld mit seinem scheinbar endlosen Horizont zu Füßen. Die Stilllegung des Flughafens führte allerdings auch dazu, dass hier die Mieten förmlich explodierten.
Die Struktur der Hermannstraße bestimmen kleine Gewerbebetriebe, eine Vielzahl an Geschäften sowie Wohnhäuser und Wohnblocks, die teilweise aus der Gründerzeit stammen. Eine einzigartige Ansammlung von acht Friedhöfen, die zur Hälfte als Gartendenkmale unter Schutz stehen, bildet eine grüne Oase.
Ein schmuckes Kleinod ist der Körnerpark zwischen Hermannstraße und Karl-Marx-Straße, der im Sommer zu kostenlosen Konzertreihen einlädt. In der angeschlossenen kommunalen Galerie kann Kunst in wechselnden Ausstellungen bestaunt werden.
Die Karl-Marx-Straße ist die größte Einkaufsstraße Neuköllns und nach dem Kurfürstendamm / Tauentzienstraße und der Schloßstraße die drittgrößte Einkaufsstraße Berlins nach Verkaufsfläche.

Zentrum Karl-Marx-Straße. Foto: mr

Ab der Gründerzeit beherbergte die Straße neben sämtlichen großen Kaufhausketten wichtige institutionelle Bauten, wie das Rathaus, das Amtsgericht, die Kaiserliche Post und das 1908 errichtete Gemeinschaftshaus mit dem Passage-Kino, das sich noch heute rühmt, einen im Original erhaltenen Kinosaal von 1909 zu besitzen. Die im selben Haus angesiedelte Neuköllner Oper und der Heimathafen Neukölln nebenan haben sich in den letzten Jahren zu renommierten Veranstaltungsorten für Theater, Musik und Lesungen entwickelt, die sich weit über die Bezirksgrenzen Geltung verschafft haben. Dazu steht im südlichen Teil der Karl-Marx-Straße die neugotische, evangelische Magdalenenkirche.
Heute ist das Straßenbild geprägt von einer Mischung aus Handyläden, Ramschläden, Modeketten, Dönerläden, Cafés und Bistros. Viele alteingesessene Geschäfte mussten aufgeben. In ehemalige Kaufhäuser und alte Renommierbauten wie die alte Post ziehen Co-Working-Spaces und Gastronomie. Das Shoppingcenter »Neukölln Arcaden« beherbergt auf fünf Etagen neben einem vielseitigen Branchenmix aus Modegeschäften, Technikläden, Dienstleistungsbetrieben und einem Buchladen auch die Stadtbibliothek und ein Kino.
Für Diskussionen sorgen die Pläne der österreichischen Immobilienfirma Signa Holding, das Karstadt-Gebäude am Hermannplatz, dem Entree der Straße, in ein Art-Deco-Gewand zu kleiden und um mehrere Stockwerke zu erhöhen, eine Reminiszenz an den Originalbau.
Seit 2010 wird die Straße komplett umgebaut, um sie wieder zu einem Fahrrad- und Fußgängerfreundlichen »Großstadt Boulevard« mit attraktivem Einzelhandelsangebot zu machen.

Was die Neuköllner wissen sollten

1. Wie stehen Sie zu den neuerlichen Forderungen, das Tempelhofer Feld zu bebauen?
2. Wie wollen Sie nach der Coronakrise den wirtschaftlichen und kulturellen Aufbau ankurbeln?
3. Wie unterstützen Sie eine Verwaltungsreform, um die Bezirksämter zu stärken und um eine klare Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Senatsverwaltung und Bezirken zu erreichen?
4. Was möchten Sie im Bereich Verkehr verbessern, um die Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer zu erreichen?
Wie stehen Sie zu Verkehrsberuhigung in den Kiezen?
5. Wie berücksichtigen Sie die Bedürfnisse von Minderheiten in Ihrem Wahlprogramm?
6. Wie soll die Sicherheit vor Kriminalität gewährleistet werden?
7. Wie sollen Schulen in die Lage versetzt werden, zukünftig die neuen Technologien besser einzusetzen?
8. Was ist in Ihrem Wahlkreis aus Ihrer Sicht am wichtigsten?

Fabian Fischer – SPD

2. Wir brauchen massive Investitionen in unsere Stadt, ein »Zukunftsprogramm Berlin«, wie es Franziska Giffey genannt hat. Wir wollen Kreativität, Ehrgeiz und Tatendrang freisetzen und Arbeitsplätze schaffen. Staatliche finanzielle Förderung ist dafür nötig. Wir bezahlen das auch damit, dass starke Schultern mehr tragen, zum Beispiel über eine Vermögenssteuer.
4. Wir müssen Mobilität und Verkehr neu verhandeln. Modellprojekte im Sinne von Kiezblocks haben SPD und Grüne in der BVV beschlossen, das finde ich gut. Der Bezirk hat schon viel gemacht, Beruhigung Richardkiez, Protected Bikelanes, Fahrradstraße Herrfurthstr. etc. Aber wir müssen noch mehr tun. Der Autoverkehr soll so weit wie möglich raus aus den Wohnkiezen, Fahrrad und vor allem Fußgänger:innen sind zu stärken.
5. Berlin ist Stadt der Vielfalt – die wollen wir erhalten und fördern, sei es mit einem Paritätsgesetz, mit dem Landesantidiskriminierungs- und Partizipationsgesetz, mehr Investitionen in Barrierefreiheit und Inklusion von Anfang an. Als queerer Mann finde ich es außerdem wichtig, dass wir mehr in Präventions- und Sensibilitätsarbeit gegen den Anstieg homo- und transfeindlicher Gewalt in unserer Stadt investieren.
6. Wir hatten früher in Neukölln die Kontaktbereichsbeamt:innen (KOB) als bürgernahe Ansprechpartner:innen der Polizei. Ich wünsche mir deren Rückkehr, damit Polizei nahbar ist in unseren Kiezen.
8. Der Zusammenhalt in den Kiezen. Ich mache keine Klientelpolitik, ich will alle Bürger:innen und den ganzen Kiez im Blick haben. Viele Menschen mit den unterschiedlichsten Ideen, Wertvorstellungen, Zielen und Problemen, die auf engem Raum zusammenleben: Das verursacht manchmal Konflikte. Sozialdemokratische Politik bedeutet für mich, diese Konflikte versuchen zu lösen – und zwar nicht nach dem Recht des Stärkeren, sondern gemeinsam: Sozial und solidarisch.

Jorinde Schulz – DIE LINKE

1. Es gilt das von Berliner*innen erkämpfte Gesetz: Das Feld darf nicht bebaut werden. Im dicht besiedelten Neukölln ist das freie THF wichtig für Gesundheit, Lebensqualität und Stadtklima. Flächen für Neubau gibt es genug. Und bezahlbare Mieten erreichen wir durch mehr Wohnraum in öffentlicher Hand – deswegen unterstütze ich »Deutsche Wohnen und Co. enteignen«.
2. Um Kultur und Kleingewerbe zu retten, müssen wir jetzt handeln. Viele Kneipen und Läden stehen vor dem Aus. Sie brauchen einen Mietenschnitt und Kündigungsschutz. Außerdem müssen wir endlich die Deckelung von Gewerbemieten erwirken. Von der Pandemie betroffene Solo-Selbständige brauchen stetige, unbürokratische Hilfen.
4. Lebenswichtig ist, dass wir zügig mit sicheren Radwegen vorankommen. Verkehrsberuhigung muss sozial und ganzheitlich gestaltet werden, so dass sie nicht Verdrängung Vorschub leistet oder Ausweichverkehr durch ärmere Kieze verursacht. Um die Stadt der Autos zu überwinden, gilt es, massiv in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs zu investieren. Die drohende Privatisierung der S-Bahn müssen wir verhindern.
5.  Als LINKE setzen wir uns gegen Ausgrenzung und strukturelle Ungerechtigkeiten ein. Zum Beispiel, indem wir für eine Migrationsquote im öffentlichen Dienst streiten und uns gegen das Kopftuchverbot stellen, das muslimischen Frauen verwehrt, als Lehrerin oder Richterin zu arbeiten. Wichtig ist uns außerdem, Treffpunkte der LGBTIQ*-Community und Beratungsstellen gegen Diskriminierung zu fördern.
7. Um digitale Lernmittel sinnvoll zu nutzen, brauchen Lehrer*innen ausreichend Zeit und gute Weiterbildungsangebote. Bereits jetzt sind Lehrkräfte überlastet, und es gibt viel zu wenige von ihnen. Deswegen setze ich mich für eine Ausbildungsoffensive und einen guten Personalschlüssel ein. Digitalisierung ohne genug Personal an den Schulen hilft niemandem.

Nimet Avci – CDU

1. Durch die Fehlkonstruktion des »Mietendeckels« haben wir nun erleben können, wie Fehlanreize gesetzt und Mieter gegen Vermieter ausgespielt worden sind. Die einzige Lösung bei dem anhaltenden Zuzug in die Stadt ist, dass das Land Berlin baut. Und das Tempelhofer Feld eignet sich dafür und würde im Falle einer Randbebauung dennoch viel Raum bieten und die Flächen für Erholung, Sport und »Gärtnern« letztlich kaum einschränken.
2. Dass im Jahr 2021 keine Sondernutzungsgebühren für das Herausstellen von Tischen und Stühlen erhoben werden, ist zu begrüßen. Ferner sollte, wie zu Beginn der Pandemie, den Gewerbebetreibenden befristet die Möglichkeit gegeben werden, dass diese an Sonn- und Feiertagen öffnen dürfen. Auch Genehmigungsverfahren müssen insgesamt zügiger und unbürokratischer ablaufen. Ich möchte mich für zentrale Anlaufstellen für Unternehmer und Gewerbetreibende beim Bezirk einsetzen.
4. Das Radwegenetz muss deutlich ausgebaut werden. Der Bezirk ist gefordert, die Straßen, die dafür geeignet sind und ausreichend Raum bieten, zu identifizieren. Dabei müssen auch Faktoren wie das jeweilige Verkehrsaufkommen und die Interessen von Gewerbetreibenden, die wie zum Beispiel Straßencafés zwar Raum belegen, aber auch zur Belebung der Straßen beitragen, angemessen Berücksichtigung finden und ein fairer Ausgleich aller Interessen gefunden werden.
6. Durch gute technische Ausstattung von Polizei und Ordnungsbehörden des Bezirks, mehr Personal und eine gute Zusammenarbeit von Bezirk, Polizei und Staatsanwaltschaft können wir wirkungsvoller gegen die Kriminalität vorgehen.
8. Mein Ziel ist, die Sperrmüllproblematik zu lösen und dafür Sperrmüllaktionen durchzuführen, so dass die Neuköllner/innen ihren Sperrmüll vor ihre Wohnungstür stellen können und die BSR diesen KOSTENLOS abholt.

Victor Stephani – FDP

1. Die Neuköllner FDP versteht die Argumente zu der Randbebauung des Feldes. Ich halte eine Mischbebauung, die für alle da ist, mit einem Drittelmix aus kommunalem Wohnungsbau, Genossenschaftsbau und privatem Wohnungsbau, für sinnvoll.
2. Berlin lebt durch seine Kultur und Gastronomie – es ist dringend notwendig, den Interessen des Kulturbetriebs wieder Gehör zu verschaffen. Und in Bezug auf Gastronomie müssen Ämter im Alltag mehr Flexibilität zeigen, etwa beim Lärmschutz oder bei erweiterten Bestuhlungsflächen im Außenbereich.
3. Die Coronakrise und die verpatzte Impfkampagne hat offenbart, dass die deutsche Bürokratie reformiert und agiler gestaltet werden muss. Wir brauchen eine klare Kompetenzverteilung und müssen Entscheidungen dort treffen, wo sie nachher umgesetzt und wirksam werden.
4. Eine vernünftige Verkehrspolitik muss die Mobilitätsbedürfnisse von FußgängerInnen, FahrradfarherInnen und AutofahrerInnen gleichermaßen erfüllen. Das heißt, verkehrsberuhigte Gebiete sind in Ballungsräumen wie Berlin wichtig und sinnvoll, dürfen zugleich aber auch nicht zu Einschränkungen anderer VerkehrsteilnehmerInnen führen.
5. Strukturschwächere Stadtviertel brauchen die besten Schulen zur Förderung von Chancengleichheit. Dazu gehört auch, die Medienkompetenz von Schüler- und Lehrer­Innen gleichermaßen auszubilden.
Mit der Bereitstellung finanzieller Mittel durch den Bund ist es dabei nicht getan. Die Schulen rufen derzeit nur einen Bruchteil der Gelder ab, da es für die Umsetzung an Personal fehlt und der bürokratische Aufwand zu hoch ist.
8. Das Kiezgefühl stärken und gemeinsam an einer schöneren Umgebung arbeiten.

Susanna Kahlefeld – Die Grünen

1. Selbstverständlich lehne ich das ab. Der erfolgreiche Volksentscheid kann nicht vom Tisch gefegt werden. So wie es ist, ist das Tempelhofer Feld aus sozialen und ökologischen Gründen unverzichtbar. In Neukölln leben viele Menschen, die weder eine Datsche haben noch ins Umland fahren, sie brauchen den Freiraum. Warum soll das hier »Luxus« sein – nicht aber im Tiergarten? Und: Es ist unehrlich zu behaupten, dass hier günstiges Wohnen geschaffen werden könnte und die wahren Kosten zu verschweigen.
2. Hilfen für die Wirtschaft sind notwendig, aber nicht, damit alles wie vorher wird, sondern mit einer sozial-ökologischen Umsteuerung. Für Neukölln zentral ist zudem die soziale Absicherung von Kulturschaffenden, der Erhalt künstlerischer Freiräume und eine innovative Weiterentwicklung der bestehenden Förder­systematik.
4. Der öffentliche Raum muss gerechter aufgeteilt werden: Kinder brauchen einen sicheren Platz zum Spielen, mit fußgängergerechten Kreuzungen und längeren Ampelphasen fühlen sich Senior*innen sicherer. Durch »Kiezblocks« wird der Durchgangsverkehr aus den Kiezen herausgehalten, sie werden lebenswerter und gesünder. Das Radverkehrsnetz muss ausgebaut werden – mit der Radschnellstrecke und abgepollerten Radwegen an der Hermannstraße.
6. Die wirklich kriminellen Strukturen angehen anstatt mit Symbolpolitik Rassismus zu befeuern: Das Vermögen der organisierten Kriminalität muss eingezogen und ein Immobilienregister geschaffen werden, das die Verschleierung von Besitzverhältnissen beendet. Mehr »Druckräume« und Versorgung für Drogenabhängige werden gebraucht. Und natürlich muss es gezielte Maßnahmen gegen rechte Hasskriminalität geben!
8. Verdrängung zu bekämpfen! Denn die große soziale Frage wird im Bestand gelöst, selbst wenn anderswo gebaut wird. Und politische Teilhabe stärken, weil mehr Beteiligung hilft, eine Politik für die Verkehrswende, für die Offene Gesellschaft und eine starke Mieter*innenpolitik zu machen.

Zusatzfrage an die Politikerin, weil sie seit mehreren Perioden im Abgeordnetenhaus tätig ist.
Was haben Sie bereits für Neukölln erreicht?

Der Gestaltungsprozess auf dem Tempelhofer Feld ist endlich in Gang gekommen, daran habe ich mitgearbeitet. Wir haben den Prinzessinnengarten gerettet und mit dem neuen Partizipations- und Migrationsgesetz die Teilhabe der Menschen mit Migrationsgeschichte am politischen Leben gestärkt.