Geschenkt und verhökert

Evangelisches Johannesstift verkauft geerbtes Haus

Margarete Windschild, eine Neuköllner Geschäftsfrau, hatte Gutes im Sinn. Deshalb vermachte sie ihr Haus in der Anzengruberstraße 24 testamentarisch dem Evangelischen Johannesstift, einer christlichen Einrichtung mit Sitz in Spandau, 1858 gegründet, um Arme und Kranke zu unterstützen. Sie wollte damit sicherstellen, dass das Haus für die Bewohner erhalten bleibt und nicht verkauft wird.

Widerstand stärkt die Nachbarschaft.      Foto: mr

Jetzt ist das unerwünschte eingetreten: Die Stiftung hat das Haus verkauft. An wen, das wissen die Mieter nicht. Die Stiftung spricht von einem »privaten Bestandshalter aus Deutschland«.
In dem Komplex mit 36 Wohnungen und zwei Gewerbeeinheiten leben rund 50 Menschen, manche schon seit Jahrzehnten. Sie sind wütend und enttäuscht. »Ein solches Verhalten erwartet man nicht von einer kirchlichen Stiftung«, sagt Lieke Rahn, eine Bewohnerin. Die Mieter haben sich zur Initiative »Anzi24 bleibt!« zusammengeschlossen und fordern den Bezirk auf, mit der Ausübung des Vorkaufsrechts für echten Schutz vor Miet­erhöhungen und Verdrängung zu sorgen. Unterstützung erhalten Sie von Margarete Windschilds Patensohn, der die Aktion der Stiftung ebenfalls für moralisch verwerflich hält, weil der Verkauf dem Willen der Verstorbenen widerspreche.
Mit einer Kundgebung am 6. Februar hat die Initiative ihrer Forderung noch einmal Nachdruck verliehen. Zum Vorkauf seitens des Bezirks kam es dann nicht mehr, weil der neue Eigentümer eine Abwendungsvereinbarung unterschrieben hat. Damit ist beispielsweise eine Umwandlung der Wohnungen in Eigentumswohnungen für die nächsten 20 Jahre ausgeschlossen.
Auch wenn sie sich gewünscht hätten, dass das Haus in den Besitz einer Genossenschaft übergegangen wäre, sind die Mieter erleichtert. Sie erhalten einen weit besseren Schutz als durch die von der Stiftung angebotene Sozialcharta. Die Initiative bleibt weiterhin kämpferisch und versucht beispielsweise die Mieter für den Mieterverein zu interessieren.
Ein Gutes hatte die Geschichte, meint Lieke Rahn: Durch den gemeinsamen Kampf habe sich eine wunderbare Nachbarschaft entwickelt. Man kenne und helfe sich gegenseitig.
Jetzt warten sie erst einmal gespannt darauf, an wen sie künftig ihre Miete überweisen sollen. mr