Retten was zu retten ist

Money statt Oje für den Kneipier

2021 und die Viren und Wirren gehen weiter um und legen zunehmend Lungen, Sinne, Nerven und Lebensenergien eines mittlerweile nicht mehr unerheblichen Teils der Bevölkerung lahm. Und das, obwohl unzählige als potenzielle Infektionstreiber ausgemachte soziale und kulturelle Begegnungsstätten schon eine gefühlte Ewigkeit geschlossen sind. Abstands-, Masken- und Hygieneregelungen, Plexiglaswände, Frischluftgeräte – alle Bemühungen und Investitionen, auch die unserer Gastronomen, waren für die Katz.

Wir woll‘n hier wieder rein!Foto: hlb
Wir woll‘n hier wieder rein!            Foto: hlb

Versuch(t)en unsere Speiselokale und Imbisse noch durch ein Mitnehm­angebot einen Hauch Umsatz zu erwirtschaften, geht für Bars und Kneipen absehbar gar nichts. Notdürftige Staatsgelder sind gut gemeint, verhindern den Pleitetsunami und das Ende vieler unternehmerischer Existenzen allerdings nicht.
Wer ein wenig über hat und seine Lieblingslokale nicht ganz im Regen stehen lassen will, hat außer guten Worten und der hohen Kante (wo die Reserven für bessere Zeiten hingelegt werden) ein paar, wenn auch überschaubare, Unterstützungsmöglichkeiten. Kneipen als unverzichtbaren Teil des Stadtlebens und Zufluchtsort versteht die Non-Profit-Initiative »Kneipenretter«, die mit ihrer Gallionsfigur, der SPD-Hoffnung Kevin Kühnert, auch manch mediale Öffentlichkeit erhalten hat. Für den Erhalt der Berliner Kneipenkultur kann hier allen, immerhin knapp 100 teilnehmenden Kneipen oder nur der eigenen Lieblingslokalität finanziell unter die Arme gegriffen werden. Über die Plattform »betterplace.me« haben gut 1.500 Menschen bislang rund 65.000 Euro zusammengebracht. In Neukölln sind hier der »Sandmann«, das »Broschek«, »Warthe- und Boddin-Eck«, die »Lenaustuben«, das »Rosel« (Ex-Herthaner), »Café Linus«, der »Bierbaum II«, »Zum Umsteiger«, die »Teupitzer Klause« und das »Britzer Stübchen« neben einigen anderen registriert. Mögen uns alle erhalten bleiben.
»Supportyourlocalbar.com« (SYLB), auch eine Non-Profit-Initiative, die sich hier aus Partnern aus Industrie, Agenturen und Medien zusammensetzt, wurde im Frühjahr 2020 schon für die Soforthilfe unabhängiger Bars gegründet. Per persönlicher Paypal-Transaktion können die Heimwehleidenden ihre Zweitwohnzimmer und deren Macher und Beschäftigte mit einem virtuellen – steuerfreien – Trinkgeld von zu Hause aus bedenken. Für den »Coronition Tip« sind hier Neuköllner Cocktailfanale wie das »Keith« im Schillerkiez, das »Truffle Pig« (die Speakeasy-Bar im Reuter-Kauz & Kiebitz) oder die »Thelonious Bar« auf der Weserstraße dankbar.
»Helfen.Berlin« ist noch eine Non-Profit-Plattform, die neben Lieblingslokalen auch Händler und Kulturorte per Gutscheinen an der Insolvenz vorbeischrammen lassen will, die sich einlösen lassen, wenn der Albtraum mal rum ist. Die »B Card«-Gutscheinkarte gibt es im Netz zum Beispiel für die Bar »Weserkrug«, »das Kapital«, das »Bruchberg«, die »Kindl Stuben«, »Beuster Bar«, »Rabauke Bar«, »Berg­klause«, »Mama Bar« und die »Zosse«, die sich hier registriert haben.
Eine besonders treue und hilfsbereite Klientel hat die Britpop- und Dackelfreunde-Bar »Posh Teckel« in der Nordneuköllner Pflügerstraße, die schon mit Pendelbier oder sporadischen, exquisiten Mitnehm-Menus Kreativität und Überlebenswillen bewies. Stammgast Thilo hat seine alte Spendenseite »www.leetchi.com/c/der-dackel-braucht-sein-futter« wieder geöffnet, und ansonsten ist der Spardackel auch unter »support@poshteckel.de« oder »esel@poshteckel.de« via Paypal fütterbar. Musiker Martin Tetzlaff hat im Advent seine Single »O Tannenbaum« – lässt sich auch im Januar noch hören – auf allen gängigen Streaming-Portalen veröffentlicht und lässt seine Erlöse, die durch den Single-Verkauf bei Bandcamp reinkommen, dem »Teckel« zukommen (martintetzlaff.bandcamp.com/album/o-tannenbaum).
Kneipen sind gut für die Seele und soziale Hygiene. Lassen wir sie nicht vor die Hunde gehen!

hlb