
Autobahn wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit eröffnet
Verschämt und heimlich, unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit, wurde am 27. September nach 32 Jahren Plan- und Bauzeit der 16. Bauabschnitt der A100 zwischen Grenzallee und Treptower Park für den Verkehr freigegeben. Die 3,2 Kilometer lange Trasse ist mit Kosten von mehr als 720 Millionen Euro – fast das Doppelte der ursprünglichen Planung – das teuerste Stück Autobahn, das je in Deutschland entstanden ist.
Das Projekt war hoch umstritten und wurde in den vergangenen Jahren von massiven Protesten begleitet. Das Bündnis »A100 wegbassen« begleitete auch die Eröffnung mit Aktionen. So forderten die Demonstranten an der Abfahrtstelle Treptower Park, wo die Autobahn vorläufig endet, mit großen roten Lettern das »Ende« jeglichen Autobahnbaus in Berlin.
Aus Angst vor zuvor herbeifantasierten »linksextremen Gewaltausbrüchen« fand das Durchschneiden eines schwarz-rot-goldenen Bandes durch den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) daher weitab von störenden Demonstranten und Schaulustigen einige hundert Meter von der eigentlichen Autobahnauffahrt statt. Für die anschließenden Feierlichkeiten mit Reden und Häppchen essen verschanzten sich Politiker und Vertreter der Wirtschaft im »Estrel Hotel«.
Dort hatten sich etwa 280 Demonstranten eingefunden – durch Absperrgitter von der Straße getrennt und eingepfercht auf dem Gehweg – und empfingen den Konvoi der schwarzen Limousinen mit »A100 – nicht mit uns«-Rufen. Die Autos verschwanden in der Tiefgarage des Hotels. Dem Protest gingen die Politiker aus dem Weg.
Patrick Schnieder lobte die neue Autobahn als »ohne Zweifel das modernste Teilstück des für uns alle so wertvollen Autobahnrings«. Er wie auch Wegner ließen keinen Zweifel daran, dass die A100 weitergebaut wird. »Der 16. Bauabschnitt macht nur richtig Sinn, wenn auch der 17. kommt. Nur dann kann die A100 ihren vollen verkehrlichen Nutzen entfalten«, sagte Wegner und fügte gönnerhaft hinzu: »Ich bin mir sicher, dass der eine oder andere Kritiker den Autobahnabschnitt nutzen wird und dann den Mehrwert erkennt.« Der 17. Abschnitt soll die A100 vom Treptower Park über Friedrichshain bis nach Lichtenberg verlängern. Laut Stadtverwaltung könnte das mehr als eine Milliarde Euro kosten. Erfahrungen mit derartigen Großprojekten zeigen, dass es dabei nicht bleibt.
Andere Redner weisen auf die innovative Technik des Bauwerks hin, der »bis zu sieben Meter tiefe Trog, wodurch der Verkehr kaum mehr wahrnehmbar ist«, der »Flüsterasphalt«, modernes Regenwassermanagement, damit das Wasser nicht völlig verdreckt in die Spree fließt, das viele CO2, das gespart wurde. Außerdem sollen das Tunneldach und die Schallschutzwände auch noch begrünt werden. Voll ökologisch also.
Das sehen die Gegner naturgemäß etwas anders. 450 Bäume, mehr als 300 Kleingärten und fünf Wohnhäuser mit über 100 Wohnungen mussten dem Bau weichen, hieß es in einem Redebeitrag. »Automobilität zerstört die Stadt«, war das Credo vieler weiterer Redebeiträge. In Zeiten des Klimawandels sei eine weitere Versiegelung der Landschaft das Letzte, was Berlin brauche. Die A100 sei zu einem Fossil der Verkehrspolitik geworden, das die drängenden Fragen unserer Zeit ignoriere. Statt dessen wurde eine Stadtplanung gefordert, in der nicht das Auto im Mittelpunkt stehe, sondern mehr Platz geschaffen werde für Fußgänger, Radfahrer und grüne Oasen.
Der Protest wird auf jeden Fall weitergehen.
mr