Stürzen, modifizieren oder behalten

Wie geht es weiter mit dem Jahndenkmal in der Hasenheide?

Im Juni 1811 errichtete Friedrich Ludwig Jahn in der Berliner Hasenheide einen ersten öffentlichen Turnplatz zur körperlichen Ertüchtigung der männlichen Jugend. Seine Aktivitäten führten zur Gründung vieler Turnvereine in ganz Deutschland. Jahn ist wegen nationalistischer und antisemitischer Äußerungen umstritten.
Der »Turnvater« verbinde Widersprüchlichkeit und manchmal Widerwärtigkeit. Über den richtigen Umgang mit der Erinnerung an eine solche Persönlichkeit und was das für den Umgang mit dem Jahndenkmal in der Hasenheide bedeutet, sprach Matthias Henkel, Leiter des Museums Neukölln, mit seinen Gästen bei einer Podiumsdiskussion am 9. April.

Versuch einer Modifizierung.   Foto: mr

An Jahn möge sie überhaupt nichts, sagte Claudia von Gélieu vom Neuköllner Frauennetzwerk. Sie wies auf seine Frauenfeindlichkeit, seinen Antisemitismus und seine völkische Gesinnung hin und forderte, das Denkmal abzubauen als ein Zeichen der Abkehr von dieser Gesinnung.
Rainer Brechtken, Ehrenpräsident des Deutschen Turnerbundes, plädierte dafür, Jahns Denkweise in den Kontext der Umbruchzeit des 19. Jahrhunderts einzuordnen und wies auf Jahns Verdienste beim Erreichen der deutschen Einheit hin. Auch sein Einsatz für das allgemeine Wahlrecht war für diese Zeit revolutionär. Ein Abriss des Denkmals würde im übrigen dazu führen, dass es dann keinen Ort der Auseinandersetzung mehr gebe.
Die beiden Künstlerinnen Lia Bach und Lea Meister, die das Projekt »Falling Monuments« im Körnerpark verwirklichten, schlugen vor, das Denkmal zu modifizieren, es einzuschmelzen und etwas anderes daraus zu machen oder es von Kletterpflanzen überwuchern zu lassen.
Menschen zum Nachdenken zu bringen, das leiste das Denkmal in seiner heutigen Form eher nicht, meinte dagegen Baustadtrat Jochen Biedermann (Grüne), dessen Verwaltung derzeit damit beschäftigt ist, die Hasenheide fit zu machen für den Klimawandel. Es lohne sich aber, über einen Weg von der Klimaresilienz zur Werteresilienz nachzudenken, denn es gebe in Neukölln kaum einen demokratischeren und pluralistischeren Ort als die Hasenheide, wo die unterschiedlichsten Menschen ohne Konsumzwang aufeinandertreffen. Dabei müsse auch das Denkmal einbezogen werden.
Auch aus dem Publikum, das sich engagiert an der Diskussion beteiligte, kamen interessante Vorschläge und Anmerkungen, die von der Einrichtung eines »Speakers corner« bis zum Aufbau von Sportgeräten reichten. Eine Denkmalpflegerin wies darauf hin, dass auch problematische Denkmäler unter Schutz stehen und dass es anmaßend sei, die modernen Wertvorstellungen auf die Vergangenheit zu projizieren.
»Wir müssen Jahn vom Sockel holen und dafür ästhetische Formen finden«, forderte der frühere Museumsleiter Udo Gößwald.

mr
Die Diskussion geht weiter: 7. Mai – 18:00– 20:00
(Ent)Ehrung des völkischen Turnvaters?
Podiumsgespräch zum Umgang mit dem Antisemiten Friedrich Ludwig Jahn und seinem Denkmal in der Hasenheide mit Claudia von Gelieu (Netzwerk Frauen in Neukölln), Lia Bach und Lea Meister (Falling Monuments)
Treffpunkt am Café Hasenschänke