Neukölln gedenkt Verfolgten

Jüdisches Leben von Neukölln bis Auschwitz

Mit einer Gedenkstunde im Saal der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) und der Eröffnung der Ausstellung »Ausgestoßen und verfolgt« wurde in Neukölln an die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die
sowjetische Armee vor 75 Jahren erinnert.
Beginnend mit der im Alltag erfahrenen Ausgrenzung ab 1933 bis hin zur Deportation in Konzentrationslager wie Auschwitz, spannt die Ausstellung des mobilen Museums einen zeitlichen Bogen von 1933 bis 1945.

Jüdisches Leben und Leiden.     Foto: mr

»Wir gedenken heute der millionenfach sinnlos Ermordeten; wir erinnern an die Verfolgten und Deportierten, für die bisher in Neukölln allein 217 Stolpersteine verlegt wurden; wir ehren die, die im Angesicht des Leids geholfen haben und sich dem Terror widersetzten«, sagte BVV-Vorsteher Lars Oeverdieck.
Auch Bezirksbürgermeister Martin Hikel, Stadträtin Karin Korte und Stadtrat Jochen Biedermann waren gekommen. In einer sehr persönlichen Rede stellte Hikel die Frage, was es heute bedeute, Verantwortung dafür zu übernehmen, dass sich die Geschichte nicht wiederholt. »Die Deportationen fanden nicht abseits der Öffentlichkeit statt. Höchstwahrscheinlich haben unsere Vorfahren davon gewusst. Das anzuerkennen heißt Verantwortung zu übernehmen.« Dazu gehöre auch aufzubegehren, wenn Menschen wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Religion oder Herkunft diskriminiert werden.
»Es liegt in unserer politischen Verantwortung, dass wir die Lehren der Geschichte weitergeben«, sagte Karin Korte. Sie lobte den Einsatz des Museums Neukölln für die Erforschung jüdischen Lebens in Neukölln und wies auf das für ganz Berlin erstellte Schulkonzept zur Antisemitismus-Prävention hin. »Wir können nicht die Augen davor verschließen, dass es antisemitische Beleidigungen auch an Neuköllner Schulen gibt. Das wurde viel zu lange achselzuckend hingenommen«, sagte sie.
Anschließend lasen Schülerinnen und Schüler des Wahlpflichtkurses »Gesellschaftswissenschaften« der Fritz-Karsen-Schule kurze Texte von Zeitzeugen.
Zum Abschluss spielte ein Streichquartett der Musikschule Neukölln ein Stück von Gideon Klein. Der tschechische Pianist und Komponist wurde am 4. Dezember 1941 nach Theresienstadt und im Oktober 1944 nach Auschwitz in ein Außenlager verschleppt. Am 27. Januar 1945, dem Tag der Befreiung von Auschwitz, wurde er dort von abziehender SS ermordet.

mr
Die Ausstellung ist bis zum 9.2. im Rathaus, vom 10.2. bis 23.2. im Erdgeschoss der Neukölln Arcaden und vom 24. bis 30.4. in der Helene-Nathan-Bibliothek zu sehen.