Demokrat ist, wer andere Meinungen erträgt

Dialogforum sucht Wege zu Stärkung der Demokratie

Erfolgreiche Neuköllner Initiativen sind das Vorbild für die neue, deutschlandweite Aktion »Dialog – Aufbruch aus Neukölln«, die Kazim Erdogan vom Verein »Aufbruch Neukölln e.V.« ins Leben gerufen hat. Dazu gehören eine »Woche der Sprache und des Lesens«, die vom 18. bis 26. Mai 2019 stattfinden soll, die Etablierung weiterer Väter- und Männergruppen, Dialogforen in Schulen, sowie interreligiöse und interkulturelle Dialogveranstaltungen.

Miteinander reden statt übereinander.                                                                                                      Foto: mr

Das Projekt, das er am 16. April in der Genezarethkirche vorstellte, ist Teil des Programms »Demokratie leben!« des Bundesfamilienministeriums, mit dem der Dialog zwischen den verschiedenen Kulturen in Deutschland gefördert werden soll. Erdogans Anliegen ist es, dass Menschen miteinander statt übereinander reden. Dazu gab es dann auch gleich Gelegenheit bei der folgenden Dia­logveranstaltung mit dem Thema: »Demokratie stärken! Was kann ICH dafür tun?« »In vielen Ländern der Welt ist Demokratie ein Traum. Dort riskieren Menschen ihr Leben, um zu erreichen, was uns oft schon gleichgültig geworden ist«, sagte Gastgeber Pfarrer Reinhard Kees zur Einstimmung. Zudem leben »in Neukölln viele Menschen, die zwar Steuern zahlen, aber nicht wählen können«, monierte er.
Falko Liecke (CDU), Stadtrat für Jugend und Gesundheit in Neukölln, hält nichts vom kommunalen Wahlrecht für Ausländer. »Wer dauerhaft hier leben will, muss sich entscheiden. Das Wahlrecht ist ein hart erkämpftes Recht und ein hohes Gut«, sagte er. Auch ohne Wahlrecht gäbe es viele Möglichkeiten der politischen Beteiligung in Vereinen, Parteien oder Organisationen.
Bernd Schlömer (FDP), Mitglied des Abgeordnetenhauses und Sprecher für Menschenrechte und Digitalisierung, setzt aufs Internet als eine Möglichkeit, Menschen an politischen Entscheidungen zu beteiligen, Informationen und Wissen zu erlangen.
Fritz Felgentreu, Neuköllner SPD-Bundes­tagsabgeordneter, favorisiert dagegen das Gespräch von Angesicht zu Angesicht. Es gehe darum zu ertragen, wenn jemand anderer Meinung sei, und diesen Menschen nicht als Feind zu sehen. »Wer das geschafft hat, ist Demokrat«, sagte er.
Irena Fliter, Leiterin des Projektes »Shalom Rollberg«, das sich für ein verständnisvolles jüdisch-muslimisches Miteinander im Rollberg einsetzt, rief dazu auf, Mut zu fassen, jeden Morgen selbstbewusst in den Spiegel zu schauen und dabei zu sagen »Ich bin Demokratie. Ich bin gut.«
Das Fazit der anschließenden Diskussion mit den Besuchern war, dass demokratische Diskurse angst- und gewaltfreie Räume brauchen, in denen Diskussionen überhaupt erst möglich werden, und dass gute Bildung Voraussetzung für eine konstruktive Streitkultur ist.

mr