Vorbeugen statt behandeln

Gesundheitszentren als Orte des Umdenkens im Gesundheitswesen

Nicht nur Bakterien und Viren machen krank, sondern auch die sozialen Verhältnisse, in denen wir leben. Um hier etwas zu ändern, will das »Gesundheitskollektiv Berlin« ein »Kiez-Gesundheits-Zentrum« in Neukölln gründen. Der Standort soll auf dem Gelände der ehemaligen Kindl-Brauerei im Rollbergviertel errichtet werden.

Armut macht Krank
Armut macht krank.                                                                                                                                              Foto fh:

Auf einer ersten öffentlichen Veranstaltung am 26. April in der Rütli-Schule haben die Initiatoren ihre Ideen und Ansprüche vorgestellt.
»Neukölln hat das Image eines Stadtteils in Aufwertung. Vergessen wird dabei aber, dass der Norden zu den ärmsten Bezirken der Stadt gehört mit Kinderarmut und hohen Zahlen von Transferleistungsempfängern«, beschrieb Henrik Lebuhn, Stadtsoziologe an der HU Berlin, die Situation im Bezirk. Steigende Mieten vereinnahmen einen immer höheren Anteil des Einkommens. Umziehen geht nicht, weil preiswerte Wohnungen fehlen. Die Rettung ist dann häufig eine Überbelegung der Wohnung. Solche prekären Lebensumstände aber machen krank. Hinzu komme, sagte er, dass besonders Menschen aus den ärmeren Bevölkerungsschichten gar nicht wissen, wie sie eine bessere Gesundheitsversorgung erhalten können. Das habe zur Folge, dass in Deutschland ein Unterschied in der Lebenserwartung zwischen den reichsten und den ärmsten Bevölkerungsgruppen von etwa zehn Jahren bestehe.Hier will das Gesundheitskollektiv einhaken und gezielt benachtei­ligte Stadtteile unterstützen.
Dabei soll es nicht ausschließlich darum gehen, eine sehr gute medizinische Versorgung im Krankheitsfall anzubieten, die allen Menschen gleichermaßen zugänglich ist – unabhängig davon, ob sie privat, gesetzlich oder auch gar nicht versichert sind. Vorbeugung vor Krankheiten spielt eine ebenso wichtige Rolle. Ein Aspekt, der nach Meinung des Kollektivs in der herkömmlichen Medizin vernachläs­sigt wird. Da der Arzt als Unternehmer agiert, der sich jeden Handschlag bezahlen lässt, kann er naturgemäß an Prävention kein Interesse haben. Ein wichtiges Anliegen ist es ebenfalls, die Menschen im Stadtteil durch politische und soziale Arbeit zu unterstützen und damit langfristig die gesellschaftlichen Verhältnisse zu ändern. Das Zentrum soll ein selbstverständlicher Teil des Bezirks werden, zu dem die Menschen hingehen, um die Behandlungsangebote aufzusuchen, aber auch um Rechtsberatung zu erhalten oder um sich an politischen Projekten des Zentrums zu beteiligen.
Die rund 20 Mitglieder des Kollektivs kommen deshalb auch aus den verschiedensten sozialen und medizinischen Berufen. Anders als im hie­rarchisch strukturierten Gesundheitswesen haben sie den Anspruch, dass alle Berufsgruppen gleichberechtigt im Team entscheiden. Auch die Menschen aus dem Stadtteil sollen in die Entscheidungsprozesse einbezogen werden und das Projekt mitgestalten.
Allerdings steht der Schritt von der Theorie zur Praxis noch bevor. Noch sind viele offene Fragen zu klären, wozu diese Veranstaltung beitragen sollte. 

mr