Umstrittene Straßennamen

Wilhelm Busch – Dichter, Zeichner, Kinderschreck

Fotografie von Edgar Hanfstaengl 1870 in München

Der Politikwissenschaftler Felix Sassmannshausen hat ein Dossier erstellt, in dem er Straßennamen mit antisemitischem Bezug in den Blick nimmt. In Neukölln hat er dabei 18 Straßen und Plätze identifiziert, deren Namensgeber antisemitische Verstrickungen haben.
Die Kiez und Kneipe stellt in den kommenden Ausgaben die Namensgeber vor.
Die Wilhelm-Busch- Straße, die ihren Namen seit 1914 trägt, verläuft parallel zur Sonnenallee zwischen Treptower Straße und Roseggerstraße.
Heinrich Christian Wilhelm Busch (* 14. April 1832 in Wiedensahl; † 9. Januar 1908 in Mechtshausen) war einer der einflussreichsten humoristischen Dichter und Zeichner Deutschlands. Der Schöpfer von »Max und Moritz« und vielen weiteren, bis heute populären Werken gilt als Pionier des Comics. In seinen Bildergeschichten griff er satirisch die Eigenschaften bestimmter Typen oder Gesellschaftsgruppen auf, etwa die Selbstzufriedenheit und Doppelmoral des Spießbürgers oder die Frömmelei von Geistlichen und Laien.
Wilhelm Busch wird aber auch vorgeworfen, sich antisemitischer Klischees bedient zu haben. Allerdings kommen Karikaturen von Juden in seinen Erfolgswerken überaus selten vor. Diese Stellen haben es allerdings in sich. In der Erzählung »Plisch und Plum« heißt es: »Kurz die Hose, lang der Rock, Krumm die Nase und der Stock, Augen schwarz und Seele grau, Hut nach hinten, Miene schlau – So ist Schmulchen Schiefelbeiner.« Um der sicheren Lacher willen hat Busch hier eine geläufige diskriminierende Darstellung übernommen und massenweise verbreitet. Die Biographin Eva Weissweiler sieht darin sogar eines der einprägsamsten und hässlichsten Porträts eines Ostjuden, das die deutsche Satirelandschaft zu bieten habe.
In der Anfangsszene der Geschichte »Die fromme Helene« taucht das Stereotyp vom durchtriebenen Börsenjuden mit der krummen Nase auf, den Busch dort zudem als »tiefverderbt und seelenlos« bezeichnet. Zur Volksbelustigung war eine diskriminierende Darstellung von Minderheiten kurz vor 1900 jedoch so massenweise verbreitet, dass eine Herabwürdigung noch nicht mit Judenhass gleichzusetzen war. Der Historiker Peter Gay kommt daher zum Ergebnis, Busch sei kein überzeugter Judenfeind gewesen, nicht mehr als zu seiner Zeit alle Deutschen und alle Franzosen auch. Damals war Antisemitismus eben in weiten Kreisen der deutschen Gesellschaft en vogue.
Damit gehört er aber zu den vielen, die im Kleinen jenem Geist Nahrung gegeben haben, aus dem sich der nationalsozialistische Vernichtungswahn erst entwickeln konnte. Auch damit war Busch ein typischer Mann des 19. Jahrhunderts.
Sassmannshausen empfiehlt Recherche und Kontextualisierung.mr