Umstrittene Straßennamen

Nikolaus Lenau – Dichter des Weltschmerzes

Der Politikwissenschaftler Felix Sassmannshausen hat ein Dossier erstellt, in dem er Straßennamen mit antisemitischem Bezug in den Blick nimmt. 18 davon befinden sich in Neukölln. Die Kiez und Kneipe stellt die Namensgeber vor.
Die Lenaustraße verläuft vom Kottbusser Damm bis zur Reuterstraße. Der Namensgeber ist Nikolaus Lenau, der größte Lyriker Österreichs im 19. Jahrhundert und in der deutschen Literatur der typische Vertreter des Weltschmerzes, einer europaweit umgreifenden Stimmung in der Restaurationszeit.
Nikolaus Lenau wurde am 13. August 1802 in Csatàd, heute Lenauheim, bei Temesvár geboren. Er stammte aus einer verarmten preußisch-schlesischen Offiziersfamilie, besuchte das Gymnasium in Preßburg (Bratislava), wo er auch seine Studien begann und setzte diese in Wien fort. Er trieb philosophische, medizinische und juristische Studien. Eine Erbschaft ermöglichte Lenau ein unabhängiges Leben als freier Schriftsteller.
Nachdem er 1832 promoviert hatte, ging er nach Nordamerika, wo er »göttliche Auftritte« in der nordamerikanischen Natur erwartete und auf bequeme Weise reich zu werden hoffte.
Enttäuscht von seinen Eindrücken und Erfahrungen kehrte er voller Heimweh nach einem Jahr zurück. Weder hatte er das erhoffte Land der Freiheit finden, noch sich durch Landkauf materiell sichern können. Fortan prangerte er den Materialismus der Amerikaner an und beklagte den Mangel an Kultur in den »Verschweinten Staaten«. Seine anfängliche Amerika-Begeisterung war in blanken Hass umgeschlagen.
Nikolaus Lenaus poetische Produktivität konzentrierte sich vor allen Dingen auf die Naturlyrik. Seine »Schilflieder« und »Waldlieder« spiegeln Weltschmerz und Einsamkeit wider. Mit seinen Bildern von der Natur sind zugleich der Tod, die Vereinsamung, die Vergänglichkeit und der Verlust verbunden. Das findet sich auch in dem Gedicht »Ahasver, der ewige Jude«, das den alten antisemitischen Mythos des »lebensmüden, ärgerlichen Hebräers« (Lenau), der dem kreuztragenden Jesus eine Ruhepause verweigert und seither ruhelos umherirren muss, thematisiert.
Mit diesem und ähnlichen Werken avanciert er bald nach seiner verfrühten Heimkehr zu einem der beliebtesten Schriftsteller in Deutschland.
Der Naturlyrik stehen seine episch-dramatischen Versdichtungen um monumentale Stoffe der Weltliteratur wie die »Albigenser«, »Faust« und »Don Juan« gegenüber, die eine europäische Freiheit, Emanzipation, Liberalismus und Demokratie propagieren und damit gedanklich den liberalen Anschauungen des jungen Deutschland nahekommen.
Ab 1844 verfiel der sensible Dichter dem Wahnsinn. Er starb am 22. August 1850 in Oberdöbling, heute ein Stadtteil von Wien.
Sassmannshausen empfiehlt weitere Forschung und gegebenenfalls eine Kontextualisierung.

mr