Zu Hause heilt es sich am Besten

Sozialpsychologische Hilfe im vertrauten Umfeld

Pionier einer neuen Sozialpsychiatrie.      Foto: Sandeep Rout privat

Mehr als ein Drittel aller Menschen gerät mindestens einmal im Leben in eine seelische Krise. Mit Hilfe von Freunden und Familien und aus eigener Kraft lassen sich solche Situationen bewältigen. Doch es offenbaren sich bei vielen Betroffenen tieferliegende Probleme, die sie in einer schweren Krise aus dem gewohnten Leben reißen können. Die konventionelle Behandlung bietet diesen Patienten in der Regel nur den Gang in die psychiatrische Klinik an, häufig in eine geschlossene Einrichtung, da es keinen anderen Ausweg zu geben scheint.
Dieser Schritt fällt vielen von seelischen Problemen Betroffenen oft schwer. Sie müssen dann ihr soziales Umfeld und ihre Angehörigen verlassen. Demgegenüber stellt »StäB« alias »Home Treatment« eine sehr gute und niedrigschwellige Alternative dar: Die ärztliche und sonstige fachliche Hilfe kommt flexibel zu den Patienten nach Hause.
»StäB« steht für eine »stationsäquivalente psychiatrische Behandlung«. Seit Mai 2018, nach einer entsprechenden Gesetzesänderung durch den Bund, bietet der landeseigene Vivanteskonzern in Berlin aus den Krankenhäusern Neukölln und Am Urban heraus »StäB« als Regelbehandlung an. Die spezialisierten Fachkräfte führen das »Home Treatment« durch, als wichtigen Teil des Heilungsspektrums der »Vivantes Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik«.
Der verantwortliche Oberarzt Sandeep Rout erklärt die engagierte Arbeit seiner zwei Flexi-Teams. »Wir besuchen die Menschen in ihrer vertrauten Umgebung, und das täglich. Die Patienten erhalten die Versorgung, die in der Klinik auf den Stationen geboten wird ohne Abstriche, doch sie leben zuhause und bleiben im gewohnten Umfeld. Unsere flexiblen Fachkräfte setzen sich multiprofessionell zusammen, so wie wir auch in der Klinik arbeiten.« Bisher machen die Patienten und Patientinnen sowie die Mediziner und Medizinerinnen durchweg gute Erfahrungen. »In der Klinik sehen wir oft nur die Defizite, die zur Erkrankung geführt haben. Mit »StäB« erleben wir auch die Stärken und die aktiven Seiten unserer Patienten und Patientinnen. Es entsteht ein offener Dialog, der Teil der Therapie ist.«
Es war ein langer Weg, um »StäB« als erweiternde Säule in die sozialpsychiatrische Behandlung einzufügen. »Hauptsächlich haben Angehörige und Betroffene auf diese Weise der Behandlung gedrängt. Natürlich gab es Befürchtungen, dass es zu Belastungen im Lebensumfeld kommen kann. Solche Erfahrungen mussten wir bisher nicht machen. Wir kommen jeden Tag. Wenn dringende Not eintreten sollte, sind wir das ganze Jahr rund um die Uhr erreichbar, und auch der Notruf kann betä­tigt werden.« Durch die »Heimstation« des Vivantes Klinikums sei es beispielsweise einer alleinerziehenden Mutter möglich, bei ihrem Kind zu bleiben. »Das Krankenhaus kann ansonsten durchaus wie eine Käseglocke wirken, die vom vollständigen Leben isoliert.«
Leider mussten Menschen in einer Klinik auch negative Erfahrungen machen, die bei »StäB« nicht vorkommen sollen. »Wir wollen dazu beitragen, dass unsere Patienten und Patientinnen keine Angst mehr haben und Gewalt und Fixierungen erleben müssen. Im »Home Treatment« bestehen wir nicht auf strikte Abstinenz, wie es in der Klinik gefordert ist.«
Damit »StäB« weiterhin erfolgreich bleibt, ist die Vernetzung des medizinischen Personals mit den Zusammenschlüssen von Betroffenen von großer Bedeutung. Unter der Leitung von Oberarzt Sandeep Rout übernimmt »Vivantes« die Gesamtbetreuung für Neukölln. In der Emserstraße 31 befindet sich eine ambulante Einrichtung des psychiatrischen Klinikums für Gespräche mit Menschen, die seelische Probleme haben. Sie befindet sich in einem ganz normalen Wohnhaus, das die Hilfesuchenden an den Alltag erinnert, in dem sie leben. Die Eintrittsschwelle für eine ambulante Behandlung ist niedrig, auch für »StäB«. »Niemand wird von uns ins Nichts entlassen. Eine ambulante Weiterbehandlung ist möglich. Unser gemeinsames Ziel ist, dass die Patienten wieder den Weg in ein schönes alltägliches Leben beschreiten können.«

th