Die kleinen Kneipen in unseren Straßen

Klatsch und Kippen bei Molle und Schnäpperken

Sie trotzen gelassen den gastronomischen Trends und Experimenten: die Alt-Berliner Kneipen, wo noch ohne schlechtes Gewissen geraucht und gesoffen und auch mal lautstarker Lebensfreude wie Sentimentalität Ausdruck verliehen und dem Klatschbedürfnis wie der Spiel- und Sportleidenschaft gefrönt werden darf. Zum Glück halten sich auch im Reuterkiez einige dieser Institutionen wacker.

KIEZKULTURERBE »Herthaner«.                                                                                                                                    Foto: hlb

Im »Wesereck«, den »Lenau-Stuben« oder der »Oase« zählen Ehrlichkeit, Echtheit und gepflegte, günstige Getränke statt Hipness und Hype.
»Die Oase macht den Kiez aus«, meint Mittsech­zigerin Bärbel, die gern für ihre blonde Chefin Rosi Höpfner am Tresen einspringt – »Hier kennen sich alle.« Und wer hier noch keinen kennt, wird beim Bedienen der Jukebox, beim Billardspielen oder an einem der Bierfasstische schnell eingemeindet. Natürlich hilft man sich auch untereinander, mit Rat sowieso, beim Umziehen auch mit Tat. Gute Nachbarschaft eben. Bei DAB und Warsteiner erfreuen sich spätabends auch zunehmend jüngere Leute am speziellen, über Jahrzehnte gereiften Flair.»Zum lustigen Alfons«, wo die aus Hamburg stammende Deern Renate und Rotschopf Gaby mit Herz und Schnauze souverän Schultheiss und tschechisches Bier zu Oldieradioevergreens zapfen und für alle Gäste ein Ohr haben, kommt der Kneipennachwuchs inzwischen ebenfalls gern. Und hat dem rund 40 Jahre jungen »Alfons« sogar einen pfiffigen Onlineauftritt beschert. Am Spielautomaten lässt sich auch hier das Glück herausfordern, auf dem Fernseher werden auch BVB-Spiele gezeigt, so richtig schön aber ist’s, wenn die Neuneuköllner zur Klampfe greifen und zum Mitsingen und Feiern animieren.
Fußball und insbesondere Hertha-Spiele schaut man im »Herthaner« mindestens so stimmungsvoll wie im Stadion: »Wenn de nich im Oly bist, musste hier sein!« Im offiziellen Hertha-Fantreff gibt’s von Wirtin Rosi und ihrem Team bei jedem BSC-Tor ein Schnäpschen. »Wir sind aber kein reiner Hertha-Club!« Drum gibt’s auf Wunsch auch Premier League-Spiele und andere Sportveranstaltungen zu sehen. Hier,  im ehemaligen  »Wesereck«, das bis 2007 »Triple Twenty« hieß (Dart gespielt wird immer noch), herrscht zu den Sportübertragungen ausgelassene Stimmung in den drei mit Beamern ausgerüsteten Räumen. Schulle, Porter, Kindl, Landmann und Engelhardt vom Fass fördern die familiäre Atmosphäre. In sportfreien Stunden wird für nette Gäste mit speziellen Musikwünschen auch schon mal die Leinwand ausgefahren, um Youtube-Videos zu kucken.
Mögen uns diese Leuchttürme des Kiezkulturerbes lange und feuchtfröhlich den Weg des geselligen Trunkes weisen! 

hlb
Oase, Bürknerstr. 6, Mi – Mo 11 – 0 Uhr
Zum lustigen Alfons, Reuterstr. 45, tgl. 11 – 0 Uhr www.zumlustigenalfons.de
Herthaner, Weserstr. 210, So – Do 10 – 23, Fr/Sa bis 6 Uhr.