Ohne Bargeld durch Neukölln

Plastikgeld wird einziges Zahlungsmittel

Seit diesem Jahr gibt es das Konto für Jedermann. Jeder auch noch so arme Schlucker hat nun Anspruch auf ein Guthabenkonto. Franziska Giffey, Bürgermeisterin von Neukölln und immer gut für neue Ideen, hat diese Tatsache für Neukölln genutzt. Sie schlug bei einem Aufenthalt in Brüssel dem EU-Parlament vor, das Pilotprojekt »Bargeldfreies Neukölln« zu starten. Giffey war von 2002 bis 2010 Europabeauftragte für Neukölln und schrieb 2009 ihre Dissertation zum Thema »Europas Weg zum Bürger – Die Politik der Europäischen Kommission zur Beteiligung der Zivilgesellschaft«. Mit ihrer Idee »Bargeldfreies Neukölln« rannte sie auf europäischer Ebene offene Türen ein, und auch das Berliner Abgeordnetenhaus befürwortete den Vorschlag.
In der letzten Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung vor der Osterpause stellte sie den Mitgliedern die Idee vor. »Mit einem bargeldfreien Neukölln sind wir der erste Bezirk der Republik, der ein wirksames Instrument zur Vermeidung von Schwarzarbeit einsetzt. Das ist gerecht gegenüber allen Steuerzahlern.« Viel weiter kam sie nicht, denn Empörung machte sich bei den Grünen breit. Sie treten dafür ein, dass die Spätis am Wochenende ihre Läden geöffnet haben. Das wäre mit dem bargeldfreien Neukölln vorbei, weil die Kassen dann einer permanenten Kontrolle unterzogen wären. Die Piraten hingegen wiegelten ab. »Für dieses Problem haben wir eine Lösung, die wir allen Spätis zur Verfügung stellen können«, so Steffen Burger, Piratenmitglied. Das konnte Falko Liecke, Stadtrat für Jugend und Gesundheit, so nicht stehen lassen. »Es kann nicht sein, dass es in diesem Raum Parteien gibt, die strafbare Handlungen unterstützen«, empörte er sich und wurde gleich von Thomas Licher von der Linken unterbrochen: »Großkapital der Banken nimmt an dieser Stelle politischen Einfluss, wir kämpfen gegen die Ausbeutung der Arbeiter durch die Großbanken.«
Nach der tumultartigen Situation ergriff Giffey wieder das Wort und stellte ihre Position dar. Sie verwies auf die enor­men Gewinne für Neukölln: Touristen aus dem Ausland müssten kein Geld mehr tauschen. Damit würde Neukölln ein noch stärkerer Magnet für Besucher werden. Davon hätten dann alle Neuköllner etwas. »Mit den Mehreinnahmen machen wir unser Neukölln ganz schnell ganz schön«. Die Geschäftsleute, die noch kein elektronisches Kassensystem hätten, bekämen ein Kartenlesegerät kostenfrei zur Verfügung gestellt, dafür stünden ausreichend EU-Mittel bereit. Mit diesem Projekt sei Neukölln »Leuchtturm für die gesamte Republik«.
Am Ende der Sitzung konnte Giffey die Zählgemeinschaft aus SPD und CDU überzeugen. Ab August wird das Pilotprojekt »Bargeldfreies Neukölln« umgesetzt.ro