Flüchtlingsunterkunft verdrängt Flüchtlingsprojekt

»Wagenplatz Kanal« kämpft ums Überleben

Ein kleines Wäldchen, darin Bauwagen, eine Bühne, eine Fahrradwerkstatt. Das ist die Heimat des »Radical Queer Wagenplatz KANAL«.

Wagenplatz
Vom Maschendraht zum Bauzaun?                                                                                                                                  Foto: mr

Jetzt droht das Aus, denn nach dem Willen des Senats soll auf dem Gelände eine von fast 70 neuen Unterkünften für Geflüchtete entstehen. Dabei geraten Landes- und Bezirkspolitik, das Berliner Immobilienmanagement (BIM) und der Trägerverein des Wagenplatzes von einer Zwickmühle in die andere. Den Wagenplatz gibt es seit fast 30 Jahren. 2010 wurde das Projekt im Zuge der »Mediaspree«-Bebauung von der Michaelkirchstraße an die Kiefholzstraße 74 verlegt, mittlerweile der dritte Standort in Berlin. Das Gelände gehört dem Land Berlin und wurde damals vom Liegenschaftsfonds verwaltet. Von diesem bekam der »Kanal« einen erst einmal bis 2013 gültigen Mietvertrag. Den Folgevertrag weigern sich die Bewohner zu unterzeichnen, weil der einen Passus enthält, der den Aufenthalt von Menschen mit ungeklärtem Aufenthaltstatus auf dem Gelände unter Androhung der fristlosen Kündigung untersagt. »Ein Unding«, sagt Zahra, die Pressesprecherin. »Wir können nicht bei jedem, der hierher kommt, den Ausweis kontrollieren.«
Rund 20 Menschen leben hier, aber weitaus mehr kommen regelmäßig zu den kostenlosen Bildungs- und Informationsveranstaltungen, Lesungen, Filmfestivals oder Sprachkursen, die von vielen unterschiedlichen Organisationen angeboten werden. So ist hier ein wichtiger kultureller und politischer Ort entstanden, der mehrfach diskriminierten und daher besonders schutzbedürftigen Menschen Raum und einen sicheren Rückzugsort bietet. Das nicht kommerzielle Angebot ermöglicht den Zugang unabhängig von Herkunft, Bildungshintergrund oder finanziellen Möglichkeiten.
Der Wagenplatz ist das einzig derzeit bewohnte Gelände auf der Liste. Muss er weichen, bricht der Senat mit dem Grundsatz, dass durch die Unterbringung von Flüchtlingen niemand verdrängt werden dürfe. Außerdem wäre ausgerechnet ein Projekt betroffen, dass sich explizit für Geflüchtete einsetzt.
Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey wiederum sucht händeringend nach Unterkünften, um die Turnhallen wieder ihrer eigentlichen Bestimmung zuführen zu können. Trotzdem sucht sie nach einer einvernehmlichen Lösung. Mit dem Ausschuss für Verwaltung und Gleichstellung war sie am 14. März in der Wagenburg, um das Projekt kennenzulernen und löste damit ihr Versprechen aus der lezten Bezirksverordnetenversammlung ein. »Wir müssen die Menschen unterbringen«, sagte sie, aber »wir haben keine Grundstücke.« Eine Lösung wäre eine Aufteilung des 8.000 Quadratmeter großen Geländes.
So einfach ist es aber doch nicht. Für die Unterkunft sind 5.000 Quadratmeter geplant. Der verbleibende Platz würde nach Einschätzung der »Kanal«-Bewohner nicht ausreichen, um die vielen Projekte durchzuführen. »Es geht uns nicht darum, Eigentum zu verteidigen«, sagt Zahra. »Es geht um den Erhalt der Projekte.« Jetzt hoffen die Bewohner, dass sich alle Beteiligten zu einem runden Tisch zusammenfinden, um gemeinsam zu einer Lösung zu kommen. 

mr