Ex-C&A-Gebäude bietet Obdach

Flüchtlinge beziehen Notunterkunft an der Karl-Marx-Straße

C&A
C&A – im Wandel.                                                                                                                                                                          Foto: mr

Ende des letzten Jahres wurde das alte C&A-Gebäude an der Karl-Marx-Straße zu einer Notunterkunft für Flüchtlinge umgebaut. 200 Männer leben derzeit dort. Bis Ende März sollen 600 Menschen einziehen, darunter voraussichtlich auch Frauen und Familien mit Kindern.
Am 12. Februar hatten Anwohner und Geschäftsleute die Gelegenheit, auf Einladung des Bezirksamtes im Rathaus mit Vertretern von Bezirksamt, Polizei, Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) und vom »Malteser Hilfsdienst« als Träger der Unterkunft, über ihre Erfahrungen, aber auch ihre Ängste und Sorgen zu sprechen.
In ihrer Begrüßungsansprache gab Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey einen Überblick über die augenblickliche Lage. Fünf Turnhallen seien zur Zeit belegt, was zu massiven Einschränkungen im Schul- und Vereinssport führe. Die Kooperationsbereitschaft des neuen Kaufhauseigentümers sei daher sehr hilfreich. Der Eigentümer der alten Post, nach der immer wieder gefragt würde, sei dagegen unter keinen Umständen bereit, das Gebäude als Flüchtlingsunterkunft zur Verfügung zu stellen. 1.000 Flüchtlinge leben derzeit in Neuköllner Gemeinschaftsunterkünften. Das erscheine auf den ersten Blick wenig im Vergleich zu anderen Bezirken, aber viele arabische Familien im Bezirk nehmen ihre Verwandten und Bekannten direkt bei sich zu Hause auf. Das werde sehr deutlich an der großen Anzahl der Kinder, für die inzwischen 56 Willkommensklassen eingerichtet wurden, aber auch an Gruppen junger Männer, die vielfach das Stadtbild prägen.
Um die ging es auch in der dann folgenden sehr sachlichen und unaufgeregten Fragerunde. So hatte eine Geschäftsfrau den Eindruck, dass diese Gruppen mit ihrer Lautstärke und ihrem bisweilen etwas ungehobeltem Benehmen den Einheimischen Angst einjagen.
Bisher habe es keine zählbaren Übergriffe oder eine erhöhte Kriminalitätsrate in der Umgebung von Unterkünften gegeben, sagte dazu Christian Horn von der Polizeidirektion 5.
»Menschen in Gruppen fühlen sich stark«, ergänzte Sozialstadtrat Bernd Szczepanski, »das ist bei Flüchtlingen nicht anders als bei Fußballfans.« Allerdings sei diesen jungen Männern häufig überhaupt nicht klar, wie sie auf ihre Umwelt wirken.
Raphael Duetemeyer vom »Malteser Hilfsdienst« warb um etwas Geduld. Man könne den Menschen die hierzulande üblichen Umgangsformen im öffentlichen Raum nicht von heute auf morgen beibringen. Dazu bedürfe es einiger Anstrengungen. So bekommt jeder Neuankömmling in der C&A-Unterkunft eine Broschüre, in der über die Hausordnung informiert, das Asylverfahren erklärt und über Benimmregeln aufgeklärt wird. Die Bewohner – er spricht in diesem Zusammenhang immer von Gästen – müssen im Haus mit anpacken, waschen, putzen, beim Umbau helfen, wie das in einem Zuhause eben üblich sei. Geplant ist auch der Einbau einer Großküche, damit die Bewohner selber kochen können. Ein Café soll Begegnungen zwischen Einheimischen und Flüchtlingen ermöglichen, damit »der Flüchtling, das unbekannte Wesen« zu einem Menschen mit einer Geschichte werde.
All diese Aktivitäten sollen der Langeweile und dem Frust entgegenwirken, denn auch wenn der Standard dieser Unterkunft deutlich höher ist als der in den Turnhallen, eine Idylle ist das keineswegs.
Zu einer wirklichen Integration gehöre eine eigene Wohnung, aber »die Leute müssen in den Unterkünften bleiben, weil es keine Wohnungen gibt«, klagte Bernd Szczepanski.
Der überwiegende Teil der Zuhörer sprach aber weniger über Ängste, als darüber, welche ganz konkreten Möglichkeiten es gibt zu helfen. Da auch Vertreter einiger Organisationen anwesend waren, die sich mit der Flüchtlingshilfe beschäftigen, konnten gleich persönliche Kontakte geknüpft werden. Gesucht werden beispielsweise Sprachlehrer, aber auch Menschen, die die Flüchtlinge zu den diversen Ämtern begleiten. Die Internetseite www.volonteer-planner.org bietet Informationen dazu, was wo gerade gebraucht wird. 

mr