Petras Tagebuch

Nichts für Weichlinge

Für gewöhnlich halte ich mich an die Verkehrsregeln. Es gibt ein paar Ausnahmen, wie rote Ampeln, die ich schon mal gerne überfahre oder Fußwege, die ich bei heftigem Kopfsteinpflaster nutze. Kopfsteinpflaster löst die Schrauben am Rad, außerdem wird es bei Nässe zu einer extrem gefährlichen Rutschbahn.
Neulich jedoch entschloss ich mich, tatsächlich auf der Allerstraße, die mit heftigem Kopfsteinpflaster ausgestattet ist, zu fahren. Auf dem Fußweg waren mir zu viele Menschen, und die Baustelle dort ist ein Hindernis für alle, die dort vorbei müssen. Außerdem wollte ich den üblichen Beschimpfungen von Fußgängern aus dem Weg gehen. Zu meiner Überraschung eckte ich schon wieder an. Diesmal mit einem Autofahrer, der selbst kaum durch die Straße kam, weil das Parken in zweiter Spur zum selbstverständlichen Verhalten eines echten Neuköllner Autofahrers gehört. Dummerweise ist die Allerstraße eine Einbahnstraße und ich fuhr in die vermeintlich falsche Richtung, allerdings nur für Autofahrer. Hier gilt die Ausnahme, dass Fahrradfahrer in beiden Richtungen unterwegs sein dürfen.
Der Fahrer, der ja sowieso nicht weiter fah­ren konnte, verließ sein Auto und stellte sich mir in voller Breite und Höhe in den Weg, so dass ich bremsen musste. Der Mann holte mich brüllend vom Fahrrad herunter. »Das ist eine Einbahnstraße, Du hast hier gar nichts verloren! Scheiß Fahrradfahrer, man sollte euch alle abknallen!« und wollte mich schlagen. So ganz nüchtern war er wohl nicht mehr, anders ließ sich dieses überhitzte Temperament nicht erklären. Ich versuchte, ihn zu beruhigen. »Ich fahre doch gar nicht mehr, Sie haben ja das Schlimmste verhindert« und bat ihn, sein Auto abzuschließen, es käme ja sowieso keiner mehr durch, ich wolle ihm etwas zeigen.
Wenige Meter weiter war das Schild, das Fahrradfahrern erlaubt, in beide Richtungen zu fahren. Es ist zugegebenermaßen recht unauffällig und klein, aber es ist da. Als der Erzürnte es erblickte, erfolgte ein neuer Wortschwall der Beschimpfungen, dass ich doch schon längst um diese Uhrzeit zu Hause sein solle und warum sich denn Frauen zu so später Stunde noch herumtrieben. Ich wurde als dumme Kuh, Hexe, Hure und vieles mehr beschimpft, aber ein blaues Auge blieb mir erspart.