Realität statt Schönheit

Rembrandts Radierungen sind erstmals in Deutschland zu sehen

Der »Kulturstiftung Schloss Britz« ist einmal mehr eine kleine Sensation gelungen. Bis zum 21. Februar werden hier über 100 Originalradierungen des großen niederländischen Malers Rembrandt Harmenszoon van Rijn gezeigt. Sie stammen aus der Privatsammlung des Rembrandt-Kenners Jaap Mulders und sind das erste Mal außerhalb der Niederlande zu sehen.

J.Mulders_Self-portrait with curly hair and white collar, bust
Rembrandt – in bester Form.                                                                                                                       Foto: Jaap Mulders

Rembrandt zählt zu den bedeutendsten Malern Europas. Würde er heute leben, wäre er Fotograf, sagte Jaap Mulders in seinem Grußwort. Die vielen Selbstbildnisse, bei denen er die mimische Vielfalt erforschte und auch vor Grimassen nicht zurückschreckte, muten an wie moderne Selfies. Die Porträts oder Straßenszenen wirken wie beiläufig aufgenommene Schnappschüsse, und das Spiel mit Licht und Schatten, bei dem die eine Seite des Kopfes in Licht getaucht ist, die andere dagegen fast ganz im Schatten bleibt, ist als »Rembrandt-Licht« ein gebräuchlicher Effekt in der modernen Porträt­fotografie. »Und auch Photoshop hat er erfunden«, verkündete Mulders augenzwinkernd, »denn gelegentlich hat er seine Druckplatten einfach überarbeitet, und die Drucke dann als neue Kunstwerke verkauft.« Dass dabei trotzdem jeder Druck ein Original ist, ist schön an einer Serie von drei Bildern zu sehen, die in der Ausstellung nebeneinander hängen. Obwohl sie alle von einer Druckplatte stammen, entfaltet jedes für sich durch die Sättigung der Farbe seine individuelle Wirkung.
Auch inhaltlich ging Rembrandt neue Wege. Er verabschiedete sich von der idealisierenden Darstellung des Menschen in der Renais- sance. Nicht die Schönheit prägen die Radierungen, sondern die Realität, wie sie vom Künstler gesehen wird. Er zeigt alltägliche Straßenszenen, zu denen auch mal ein Hund gehört, der gerade sein Geschäft verrichtet. Die nackten Frauen werden nicht in ihrer Schönheit, sondern vom Alter und Leben gezeichnet dargestellt. Selbst Adam und Eva im Paradies sind keine jugendlichen Schön- heiten, sondern alte Menschen mit schrumpeliger Haut.
Die Ausstellung geht ebenfalls neue Wege, zumindest was die Technik betrifft. Die Besucher erhalten ein Tablet mit vielen spannen- den Informationen zu den Exponaten. Hier können auch die manch- mal nur briefmarkengroßen Drucke vergrößert und genauer betrach- tet werden, denn die vielen Einzelheiten sind häufig erst auf den zweiten Blick zu erkennen.
»In dieser Ausstellung verbinden sich Bilder von historischer Bedeutung mit moderner Technik«, sagte Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey in ihrem Grußwort. Sie hofft, dass auf diesem Weg auch jungen Menschen die große alte Kunst nahegebracht werden kann. 

mr