»TTIP« – Chance oder Risiko?

»Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft« in der Aula der Otto Hahn Schule präsentiert

»TTIP«, das Transatlantische Freihandelsabkommen ist ein Thema, das auch in Neukölln viele Menschen umtreibt. So war es nicht verwunderlich, dass die Aula der Otto Hahn Schule am 9. September bis auf den letzten Platz gefüllt war.

TTIP
Nicht alle finden »TTIP« gut.                                                                                                                                                 Foto: mr

Eingeladen hatte der Neuköllner Bundestagsabgeordnete Fritz Felgentreu, der mit Bürgern und Experten über die Auswirkungen des Freihandelsabkommens auf die Standards der sozialen Marktwirt-schaft sprechen wollte. TTIP1

Fritz Felgentreu mit Experten.                                                                                                                                             Foto:mr

Hubertus Heil, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestags-frak­tion warb in seinem Eingangsreferat für mehr Sachlichkeit in der Diskussion. Zölle und andere Handelsbarrieren im Sinne eines fairen Handels zu beseitigen, sei für eine Exportnation wie Deutschland immens wichtig. Dabei gehe es vor allem um den Umgang mit unterschiedlichen Vorschriften, wie Produkte getestet werden und welchen technischen Standards sie genügen müssen. Diese anzugleichen oder gegenseitig anzuerkennen, müsse das Ziel sein. Dabei sei klarzustellen: Es sind keineswegs immer die Europäer, die die höheren Standards haben. »Wer glaubt, dass wir die besten Standards in der Fleischverarbeitung haben, soll sich die Fleischbetriebe in Niedersachsen anschauen.« Nicht verhandelbar sind für ihn Arbeitnehmerrechte, auch der Kulturbereich oder das System der Daseinsvorsorge dürfe nicht angetastet werden.
Er räumte aber auch ein, dass die Intransparenz der Verhandlungen in der Vergangenheit zu einem schweren Vertrauensverlust geführt hätte. Hier warb er für so viel Vertraulichkeit wie nötig bei so viel Transparenz wie möglich.
Knackpunkt ist für ihn der Investorenschutz mit den privaten Schiedsgerichten. Der soll eigentlich nur sicherstellen, dass Ausländer nicht diskriminiert oder gar enteignet werden. Er ist aber in Verruf gekommen, weil Konzerne ihn immer stärker nutzen, um gegen unliebsame Gesetze und Auflagen der Industriestaaten vorzugehen. Kritisiert wird vor allem, dass die Schiedsverfahren intransparent sind und es keine Möglichkeit zur Berufung gibt. Er setzt sich daher für einen echten internationalen Handelsgerichtshof mit Berufsrichtern statt privaten Anwaltskanzleien ein.
Auch Stormy-Annika Mildner vom »Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.« (BDI) betonte die Bedeutung des Handels als Basis des Wohlstandes. Gleichwohl käme eine Senkung von Standards für den BDI nicht in Frage. »Hohe Qualität kommt von hohen Standards!« Sie empfahl aber auch, den Blick auf andere europäische Länder zu richten, die dem Abkommen deutlich positiver gegenüberstehen. So wä­re Italien beispielsweise im Bereich der Mode durchaus wettbewerbsfähig, wenn dem nicht Zölle von 20 Prozent gegenüberständen.
Konrad Klingenburg von der »IG Metall« bekräftigte ebenso, dass Deutschland Freihandel braucht. Allein 80 Prozent der IG Metall-Gewerkschafter seien vom deutschen Export abhängig. Die breite öffentliche Diskussion habe zwar schon Erfolge gebracht, jetzt dürfe »der Druck aber nicht aus dem Kessel genommen werden«. Deshalb demonstriert die Gewerkschaft am 10. Oktober in Berlin gegen »TTIP«, nicht um es zu verhindern, sondern um es zu verbessern.
Aus dem Publikum kamen viele Fragen, es gab einen regen Gedankenaustausch, stellte Fritz Felgentreu am Ende fest. Trotzdem blieb die Skepsis groß, ebenso die Befürchtung, dieses Abkommen diene weniger dem Volk als den Konzernen. 

mr