Archiv der Kategorie: Theater

Geheimplan gegen Deutschland

Bundesweite Ausstrahlung aus dem Berliner Ensemble bewirkt massenhaften Protest

»Vielleicht wird dieser Abend Teil einer neuen Erzählung, die damit beginnt, dass wir uns gegen die faschistischen Kräfte in diesem Land wehren. Es könnte eine Erzählung sein, die zeigt, dass wir viele sind, dass wir laut sind. Dass wir als Zivilgesellschaft nicht pennen, sondern dass wir hellwach sind. Und dass wir uns unsere Demokratie nicht kaputt machen lassen.« Diese Worte spricht der Schauspieler Veit Schubert zum Schluss der szenischen Lesung im Berliner Ensemble am 17. Januar.

Foto: Kolja Zinngrebe

Zuvor hatte das gemeinwohlorientierte und investigative Essener Medienhaus »correctiv« seine Recherchen zu einem angeblich »privaten« Treffen von Geschäftsleuten, aktiven sowie gewaltbereiten Neonazis und AfD-Mitgliedern veröffentlicht. »Remigration« aller in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund bildete das Hauptthema, genauer gesagt: Deportation. Gemeint sind damit 20 Prozent der hier lebenden und arbeitenden Menschen. Ziel ist die Abschaffung der Demokratie. Geheimplan gegen Deutschland weiterlesen

Licht & Schatten

Amateur-Theatergruppe mit professionellen Anspruch

Vor kurzem bot auf einem Nachbarschaftsportal eine seit über 40 Jahren erfolgreich agierende Neuköllner Theatergruppe Kostüme und Requisiten an. Das kann bedeuten, entweder brauchen sie Platz oder lösen sich auf.

Licht und Schatten – Ensemble – Oh Theodora – Oktober 2023.    Foto: L&S

1982 gründete sich in der Britzer Dorfkirchengemeinde die Theatergruppe »Licht& Schatten« (L&S). Ihre Ensemblemitglieder kamen aus dem Kirchen- oder eigenen Bekanntenkreis. Es fanden sich junge, aufgeschlossene und zudem sehr theateraffine Menschen. Schnell stand fest, hier treten keine Einzelkünstler auf, hier agiert gemeinschaftlich eine »Theaterfamilie«, die auch stolz ist auf die »Theaterkinder«, die daraus erwuchsen. Ihr allererster Spielleiter musste nach einem Jahr gehen, weil der auch versuchte, das Privatleben des Ensembles mit zu inszenieren. Licht & Schatten weiterlesen

Schuld oder was?

Dystopia Utopia in 27 Bildern auf der Bühne

Die globalen Probleme und ihre privaten Auswirkungen in ein Theaterstück zu gießen, das wurde viel versucht. Klaus Domass gelingt es in seinem aktuellen Stück, und sein kreatives Ensemble macht eine treffende Umsetzung unter seiner Regie; denn die Worte der Vorlage sind präzise gesetzt und werden im Spiel exakt lebendig gemacht. Worum geht es?

Foto: Klaus Domass

Drei Männer. Sie verstehen die Welt nicht mehr, kreisen um sich. Die Gesellschaft hat sich von ihnen abgewendet.
Drei Frauen pflegen eine Freundschaft. Sie stecken in einer ähnlichen Situation zwischen Konsum und Idealismus. Jede lebt ein Single Leben. Es gibt viele unerfüllte Träume.
Ein großes Unbehagen schwebt über ihnen. Müssen sie ihr Leben verändern? Sind sie blockiert von ihren Vorurteilen. Finden sie den Mut, sich den Herausforderungen zu stellen?
Globale Krisen sind allgegenwärtig, Kommunikation scheint unmöglich.Menschen und Tiere werden getötet. Unsere Welt droht zu zerbrechen. Auf der Bühne kommen nun die Schwierigkeiten aller Auswege aus der Bedrängung zur Darstellung. Schuld oder was? weiterlesen

Theater machen

Mitspieler willkommen

Wer aufmerksam durch Neukölln geht, denkt sicher oft, dass hier schon viel zu viel Theater um alles Mögliche gemacht wird.
Wer sich allerdings die Frage stellt, ob das Theater die Welt ändern kann, der merke jetzt auf. Hier werden Menschen gesucht, die Lust haben, sich auf der Bühne auszuprobieren. Es entsteht gerade eine Theatergruppe, die noch Mitspieler sucht. Das Ganze wird ein Amateur-No-Budget -Projekt.
Gesucht werden: Menschen ab 18, die Lust auf Theaterkunst haben. Menschen, die Lust haben, mit neuen Formen des Ausdrucks zu experimentieren. Menschen, die es auf die Bühne zieht. Experimentieren mit Stimme, Körper und Geist. Der Seele, dem Verstand und dem Körper einen neuen Ausdruck geben!
Ein aktuelles Stück existiert schon und soll im Mittelpunkt der Arbeit stehen.
Die wesentliche Sprache des Stücks ist Deutsch, aber es können alle Sprachen eingewoben werden.
Neben Mitspielern sind natürlich auch andere Akteure willkommen. Für eine Inszenierung gibt es immer eine Menge zu tun: Kostüm, Maske, Bühnenbild und vieles mehr.
Alle weitere Fragen klären wir gerne in einem Gespräch.
Wer sich angesprochen fühlt, schicke bitte eine Mail an
info@shadesneukoelln.de

pm

Der Kasper feiert Geburtstag

15 Jahre Puppentheater am Böhmischen Platz

Seit 15 Jahren erfreut das Kasper-Theater am Böhmischen Platz in Rixdorf junge und alte Besucher. Am 20. März wurde mit einem Kinderflohmarkt und einer Open-Air-Vorstellung Geburtstag gefeiert.
»Es ist phantastisch, nach so langer Zeit wieder zusammen zu kommen«, freute sich Theatergründer Artur Albrecht. Den größten Spaß hatten dabei wohl die Kinder, die sich auch als Nachwuchspuppenspieler ausprobieren durften.

Artur und Kasper.        Foto: mr

Neben Kasper, Krokodil, Wachtmeister und Teufel hat Albrecht das politische Personal aus Neukölln am Start und ist mit seinen Puppen immer nah am politischen Geschehen im Bezirk. Damit knüpft er an die Traditionen des Puppenspiels an, das ursprünglich von den Jahrmärkten kommt und früher eher für die Erwachsenen gedacht war. Der Kasper konnte in seinem Spiel nämlich ganz wunderbar die Obrigkeit kritisieren. Der Kasper feiert Geburtstag weiterlesen

Kreatives Spielen in der Pandemie

Deutsch-italienisches Künstlerduo inszeniert »Antigone« als Zimmertheater

Die Theater- und Eheleute der Companie Barletti/Waas wählten zum Überleben in der Pandemie das »Zimmer­theater« als Spielform. Das erlaubt ihnen weiterhin eigenständige, freie und selbstbestimmte Auftritte, ohne ihre kleine, staatliche Corona-Unterstützung antasten zu müssen. Dieses Auftreten vor und für einen kleinen, überschaubaren Kreis ohne die übliche Bühne wird zum Spiel auf Augenhöhe.

Eheduo spielt Tragödie.       Foto: privat

Ein Spielen in Privaträumen klingt einschränkend, doch beide sehen im Garten einen weiteren Wohnraum, und das erweitert die Auftrittsmöglichkeiten als sehr privates Spielfeld, das sich äußerst flexibel auf sich schnell ändernde Kontaktbeschränkungen anpassen lässt.
Lea Barletti, Schauspielerin, Performerin und Autorin, kam 1967 in Rom zur Welt, verbrachte ihre Kindheit und Jugend jedoch in Apulien (Lecce). Ihre eigenen Texte und Gedichte sind oft multilingual. Im Spiel überwiegt Italienisch; inzwischen nutzt sie aber auch ihr kreatives, unperfektes, oder wie sie es selbst nennt, »schmutziges Deutsch«. Kreatives Spielen in der Pandemie weiterlesen

Die »Be-Suchenden« kommen zu Besuch

Fantasievolle Performances in Neuköllner Hinterhöfen und auf Plätzen

Ein paar Menschen, eine Hauswand, dazu Licht und Musik. Mehr braucht es nicht für ein traumhaftes Schattentheater. Hände tanzen über Mauern, Videoprojektionen verwandeln die Brandmauer des Nebenhauses in eine Unterwasserwelt voller schwebender Medusen. Vögel fliegen in verschiedenen Formationen durch die Wolken, ein besonders großes Exemplar mit grünen Federn und Geierschnabel sinkt langsam auf die Erde.

Freiheit in den Wolken.   Foto: mr

Eine gigantische Marionette tanzt heran. Ganz sanft berührt sie den sterbenden Vogel und gibt ihm neue Kraft. Als Freunde ziehen sie davon. Auf der Brandmauer des Nebenhauses leuchtet der Mond.
Das »Theatre of Details« ist im Rahmen der Theater-Performances »Die Be-Suchenden« mit Musik, Tanz, Videoprojektionen und ihren Großpuppen zu Besuch in einem Hinterhof in der Braunschweiger Straße. Die »Be-Suchenden« kommen zu Besuch weiterlesen

Mittelmeer-Monologe im Heimathafen

Körperlich berührende Darstellung des Ringens um Leben

Von Menschen, die den riskanten Weg übers Mittelmeer auf sich nehmen, in der Hoffnung, in Europa Sicherheit zu finden, handelt nach 700 Aufführungen der »Asyl-Monologe«, »Asyl-Dialoge« und »NSU-Monologe« das neue Theaterstück von Autor und Regisseur Michael Ruf.

Foto: Heimathafen

Die »Mittelmeer-Monologe« erzählen von Menschen, die einen lebensgefährlichen Weg auf sich nehmen, in der Hoffnung, endlich in Sicherheit leben zu können – und von libyschen Küstenwachen, italienischen Seenotrettungsstellen und deutschen Behörden, die dies verhindern, sowie von Aktivisten, die dem Sterben auf dem Mittelmeer etwas entgegensetzen. Mittelmeer-Monologe im Heimathafen weiterlesen

Letzte Show für Dean Reed

»Neuköllner Oper« startet in die Saison mit »Iron Curtain Man«

Was war da los: Ein singender Cowboy landet in der Hauptstadt der DDR und reitet lassoschwingend durch »Ein Kessel Buntes«? Dean Reed, geboren in Denver, Colorado, wollte die Stimme der Unterdrückten sein. In Lateinamerika ein Star, kam er auf Umwegen über Spanien, Italien und die UdSSR in die DDR, wo er in den 70ern den Sozialismus den Hüftschwung lehrte.


Der »Rote Elvis« erlebte hinter dem Eisernen Vorhang eine beispiellose Karriere, er war DER Amerikaner des Ostblocks. Doch mit Glasnost und Perestroika begann sein Stern zu sinken, und auch in seiner Heimat wurde er bei einem Comeback-Versuch verhöhnt. Im Jahr 1986 schließlich nahm sich der Musiker unter bis heute mysteriösen Umständen das Leben.
Wie vielen Musikern und Stars war Dean Reed die große Bühne die eigentliche Heimat. In der Neuköllner Oper wird Dean nach Hause auf die Bühne geholt. In einer fantastischen Totenreise stellt sich der Sänger den Stationen seines Lebens und trifft Weggefährten und Feinde. Wir verfolgen den Weg des Mannes, der von Colorado aufbrach, um den Ostblock zu rocken.
»Nobody knows me back in my hometown«, sang er kurz vor seinem Tod. Jetzt kriegt er seine eigene Hall of Fame.

pm
Spieltermine: 3./5./6./9.-13./15.-20./23.-26./29./30. September – 20:00
Von Fabian Gerhardt/Lars Werner (Text) und Claas Krause/Christopher Verworner (Musik)

Riesenrad im Netz

Gespräch mit dem Theaterkollektiv »Grandroue«

Wenn Viktor anfängt, über das Theaterprojekt »Grandroue« (französisch für Riesenrad) zu sprechen, wird seine Erzählung von echter Leidenschaft getragen. Mitten im Gespräch schlüpft er dann in Rollen aus einem der letzten Stücke, beispielsweise in die der Arbeiterin, die zu Corona-Zeiten alle systemrelevanten Berufe auf einmal ausführt, während ihr Ehemann zuhause verschwörerischen Theorien verfällt.

Viktor in Aktion.Foto: pr

»Grandroue« gibt es seit ungefähr zwei Jahren. Innerhalb Neuköllns arbeitet die Gruppe von verschiedenen Standorten aus an ihren Projekten, zuletzt vor allen Dingen aufgrund der Pandemie: »Als es mit den Kontaktbeschränkungen losging, haben wir uns spontan in Produktions-WGs eingeschlossen, immer nur zu zweit oder zu dritt, und haben von dort aus kurze Stücke geschrieben und aufgeführt.« Diese wurden dann live im Internet gezeigt.
»Bei Grandroue haben wir viele der Stücke schon vor Corona über Livestreams auf unserer Webseite grandroue.de gezeigt. Es geht dabei um den globalen Aspekt, denn online können Menschen aus der ganzen Welt zuschauen. In Zukunft wollen wir das erweitern, das heißt mit Kollektiven aus anderen Ländern zusammenzuarbeiten und Aufführungen aufeinander abzustimmen. Riesenrad im Netz weiterlesen

»Elysium«

Gastspiel der Theatergruppe »Ost.Brise«

Der Verein »Aufbruch Neukölln« organisiert die Auftritte der Theatergruppe »Ost.Briese«, die aus Flüchtlingen besteht.
Junge Geflüchtete spielen ihre Geschichte.Anlässlich des »Tags der Menschenrechte« führt die Geflüchteten-Theatergruppe »Ost.Brise« aus Köln ihr Stück »Elysium« auf. Fluchtgründe der Mitglieder erfahren eine theatralische Bearbeitung. »Elysium« weiterlesen

»Sie komponiert wie ein Mann«

Neuköllner Oper präsentiert »Casting Clara«

Beim Vergleich weiblicher Rollenbilder aus dem 19. Jahrhundert und heute rühmt sich unsere Gesellschaft großer Fortschritte. Undenkbar, dass es damals kein Frauenwahlrecht gab, keine Gleichberechtigung im gesetzlichen Sinne, ganz abgesehen von strikten Erwartungshaltungen an jede Frau, sie habe Haus und Familie zu hüten. Ein Blick in die Vergangenheit sorgt für Kopfschütteln gegenüber einem patriarchalen Geschlechtermodell und wirft Fragen auf, wie sich Frauen damals persönlich entfalten konnten und wo wir heute stehen.

Clara Schumann mal sieben. Foto: Philipp Plum

Die Neuköllner Oper widmet nun Clara Schumann zu ihrem 200. Geburtstag das Stück »Casting Clara«, in welchem anhand des Lebenswegs der Protagonistin die Komplexität jener Fragen beleuchtet wird. »Sie komponiert wie ein Mann« weiterlesen

Ein unbequemes Drogenresümee

»9 Tage wach« in der Neuköllner Oper

Heute Star der deutschen Fernsehlandschaft, offenbart Eric Stehfest in seinem autobiographischen Werk »9 Tage wach« eine Vergangenheit voller Drogen, Verwirrung und Abstürzen.

Rausch im Rauch.                                                                                                                     Foto: Matthias Heyde

Aufgewachsen im Dresdener Umland mit einer Faszination für das Leben in der Stadt, macht der jugendliche Eric schon früh Erfahrungen mit Subkulturen. Er raucht Gras, experimentiert mit chemischen Drogen und findet seine vermeintliche Erlösung – Crystal Meth. Ein chaotischer Komplex aus Intrigen und der Abtreibung seines Kindes nimmt seinen Lauf. Das Chaos kulminiert, als Eric allein in seiner Wohnung durch den Einfluss von Crystal Meth neun Tage wach ist und sich in Wahnvorstellungen verliert. Ein unbequemes Drogenresümee weiterlesen

Mit wehenden Fahnen in den Untergang

Viktor Ullmanns »Die Weise von Liebe und Tod«

Hrund Ósk Árnadóttir und Dennis Herrmann.                                                            Foto: Matthias Heyde

Rainer Maria Rilkes Jugenddichtung »Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke« mag heute fast vergessen sein, doch war sie zu Zeiten der Weltkriege eine der beliebtesten Lektüren bei deutschen Soldaten an der Front. Sie thematisiert das Schicksal eines Vorfahren Rilkes, Cornet Christoph Rilke, welcher im 17. Jahrhundert während der Türkenkriege den Heldentod stirbt, als er unbewaffnet, doch mit erhobenem Banner durch 16 Säbelhiebe niedergestreckt wird. Der Mythos des Heldentods, die Verherrlichung des Krieges, aber auch die Sinnlosigkeit, junge Leben im Krieg zu verschwenden, haben das Werk zum Klassiker gemacht.
Die Neuköllner Oper zeigt die Vertonung durch Viktor Ullmann, der im Jahre 1944 in Auschwitz umgebracht wurde. Warum sich Ull­mann kurz vor seinem Tod durch die Nazis gerade mit dem Werk eines bekennenden Faschisten auseinandersetzte und es vertonte, bleibt wohl ein Rätsel. Auch die Inszenierung an der Neuköllner Oper liefert hierzu keine Antwort, was aber Absicht zu sein scheint. Mit wehenden Fahnen in den Untergang weiterlesen

Mädchen ziehen in den »Heiligen Krieg«

»Djihadista« im Heimathafen

Sie sitzen zu Hause vor ihren Computern und chatten in sozialen Netzwerken mit jungen Männern: Mädchen im Teenageralter, verliebt und wild entschlossen, ihren Schwarm so schnell wie möglich zu treffen. Allerdings sind das nicht irgendwelche jungen Männer, sondern Gottes­krieger des »Islamischen Staates« aus Syrien oder dem Irak.

Verhüllt und verführt.                                                                                                                                         Foto: mr

Wie aber kommen junge, gebildete, in Deutschland aufgewachsene Mäd­chen dazu, alle Brücken hinter sich abzubrechen und in den Krieg zu ziehen? Was bringt sie dazu, den »Westen« so sehr zu hassen, dass sie von dessen Vernichtung träumen? Mädchen ziehen in den »Heiligen Krieg« weiterlesen

Willkommen in der Hölle

An Neuköllner Oper wird über Hamburger G20-Gipfel gesungen

Das Genre »Musical« ist ja nicht unbedingt dafür bekannt, sich mit aktuellen und komplizierten gesellschaftlichen Themen auseinander zu setzen. Insofern ist allein schon die Idee, die G20-Proteste des letzten Jahres als ein Musical zu thematisieren, ein bemerkenswertes Unterfangen. Daran getraut hat sich der Professor für Darstellendes Spiel/Musical an der Universität der Künste, Peter Lund, zusammen mit Michael von der Nahmer als Komponist.

G20 in Neukölln.                                                                                                                       Foto: Matthias Heyde

Das Stück trägt den Titel »Welcome to hell« und wurde am 15. März an der Neuköllner Oper uraufgeführt. Benannt ist es nach einem Demomotto der Autonomen in Hamburg am Vor­abend des G20-Gipfels. Die Tage des Gipfels werden aus verschiedenen Perspektiven erzählt: Bloggerin, Aktivistenpaar, Supermarktkassiererin, Polizist und Freundin, französischer Wirtschaftsvertreter, Journalistin, Zuhälter, Callboy, Schülerin aus der Provinz, überzeugter Christ. Willkommen in der Hölle weiterlesen

Wieder und wieder wiederholt sich Geschichte

Verlorene Kinder versuchen zu überleben.                                                                    Foto:Matthias Heyde

Die Konstruktion eines Hauses aus wenigen Balken, Wände aus durchscheinendem Stoff, kein Dach, doch ein paar Möbel – aus einem Grammophon ertönt leise die Ouvertüre aus Humperdincks Oper »Hänsel und Gretel«, schwillt an und wird mehr und mehr überlagert von sich näherndem Kanonendonner. Nach und nach kriechen sieben Schwestern aus ihren Verstecken unter Tischen, Schränken und Sesseln hervor.
Das Musiktheater »Wolfskinder« in der Neuköllner Oper bewegt schon in den ersten Minuten. Es ist eine Verwebung der humper­dinckschen Oper mit der Situation der so genannten »Wolfskinder« nach dem zweiten Weltkrieg. Beide Geschichten handeln von Heimat- und Elternlosigkeit. Hänsel und Gretel werden in den Wald geschickt weil die Eltern zu arm sind, und tausende Kinder irren in den Hungerjahren nach dem zweiten Weltkrieg auf der Suche nach Essen und einer warmen Bleibe zwischen Ostpreussen und Litauen umher. Wieder und wieder wiederholt sich Geschichte weiterlesen

Dreißig Jahre Travestie im Kiez

»Fairy Tale« im »Theater im Keller«

Mit der spritzigen Show »Fairy Tale« feiert das »Theater im Keller« –TIK –- sein 30-jähriges Jubiläum.
Die Herren als Damen sind schon wegen ihrer ausgewählten Kostüme, ob Modell »behaarte Pummelfee«, »Transe Melody« oder »Rotkäppchen«, eine Augenweide.

Fairy Tale.                                                                                                                                                                  Foto: bs

Sie überzeugen mit Professionalität, Spass an der Sache und dem berühmten Funken, der rasch ins Publikum überspringt. Nicht nur spontane Improvisation, wenn ein Perückenhaar im Hals klebt und die Perücke einfach abgerissen und quer über die Bühne geworfen wird, sorgen für gackerndes Gekreische, auch die witzigen Dialoge lassen das Publikum trampeln und klatschen. Das vierstimmige Finale von Fredy Mercurys »Mama« sucht seinesgleichen. Dreißig Jahre Travestie im Kiez weiterlesen

Kreativstes Musiktheater Berlins feiert Geburtstag

Die Neuköllner Oper ist 40

Zu einer Zeit, als die Zeitungen noch von der »Kulturwüste Neukölln« schrieben, begann ein kleines Wanderbühnentheater, das sich »Neuköllner Oper« nannte, die Berliner Opernlandschaft mit einem bunten Programm aus Musicals, Operetten, Opern und vielen Uraufführungen aufzumischen.

Flanieren in der Opernpassage                                                                                                                     .Foto: mr

»40 Jahre Experiment in Folge« wurden am 12. November mit einer Matinee gefeiert. Unter den Gästen waren auch Vorstandsmitglieder der ersten Stunde, die über die Vor- und Frühgeschichte des Hauses berichteten, die Schwierigkeiten, Geld für die jeweils nächste Produktion aufzutreiben oder die lange Suche nach einem dauerhaften Domizil.
Angefangen hat alles in der Neuköllner Martin-Luther-Kirche mit einem studentischen Kammerchor, den der Kirchenmusiker Winfried Radeke 1972 übernahm. Am 13. November 1977 gründete er dann den Verein, der es sich zum Ziel setzte, eine Alternative zum klassischen Opern- und Theaterbetrieb zu schaffen. Anfangs wurden die Musiktheaterprojekte in Fabriketagen, Theatern und Kirchen aufgeführt. Durch Vermittlung der damaligen Neuköllner Kulturamtsleiterin Dorothea Kolland bekam die »Neuköllner Oper« 1988 mit dem Ballsaal in der Passage Neukölln ein eigenes Theater. Kreativstes Musiktheater Berlins feiert Geburtstag weiterlesen

Zwischen Huren, Dieben und Halsabschneidern

Eine Luftartistin, gekleidet in schwarzem Lack, windet sich lasziv an langen roten Tüchern in die Höhe und philosophiert dabei über das Leben als Hure. Unter ihr entert ein 20-köpfiges Tanzensemble die Bühne und präsentiert in eindeutigen Posen worum es hier geht: käuflichen Sex und dunkle Geschäfte. Wir sind mitten drin in »La BETTLEROPERa«, der neuen Inszenierung, mit der die Neuköllner Oper ihr 40-jähriges Bestehen feiert.

Sex, Liebe und Geschäfte.                                                                                                    Foto: Matthias Heyde.

Inhaltlich lehnt sich das Stück an John Gays »The Beggar’s Opera« aus dem Jahre 1728 an, die schon Kurt Weill und Bertolt Brecht zu ihrer »Dreigroschenoper« inspirierte. Es geht um Polly, die Tochter von Gangsterboss Peachum, die in romantischer Liebe dem Dieb Mac­heath verfallen ist und ihn heiraten will. Das ist ihrem Vater so gar nicht recht, der selber entscheiden will, wer die Tochter bekommt. Er beschließt, den potentiellen Schwiegersohn loszuwerden, indem er ihn den Justizbehörden übergibt. Lucy, die Tochter des Gefängnisdirektors, ist ebenfalls in Macheath verliebt und verhilft ihm zur Flucht. Es hilft nichts, er wird wieder eingefangen und am Ende seiner Strafe zugeführt. Zwischen Huren, Dieben und Halsabschneidern weiterlesen

Ein Schuss mit Nachhall

»Neuköllner Oper« bringt Bildgewaltiges auf die Bühne

Der Schuss, der durch tausend Köpfe ging, fiel am 2. Juni 1967 vor der Deutschen Oper und nahm einem frisch gebackenen Ehemann und werdenden Vater das Leben — es war der Student Benno Ohnesorg, der bei den Protesten gegen den persischen Schah von einem Berliner Polizisten erschossen wurde.

Szene aus »Der Schuss«.                                                                                                                          Foto: Matthias Heyde

Es ist die Figur seiner Frau Christa, die 50 Jahre später in einer anderen Berliner Spielstätte, der Neuköllner Oper, die Zuschauer an die Hand nimmt und durch die tosenden Szenen von damals führt. Es ist eine Geschichte von Kapitalismuskritik, politischen Utopien, radikalem Protest und dem inneren Seelenleben einer jungen Frau, die hofft, dass ihr Mann bald nach Hause kommt. Diesen Stoff in einer klassischen Oper zu bearbeiten, wäre so widersprüchlich wie unmöglich gewesen. So ist »Der Schuss« Musiktheater sondergleichen. Die szenischen Wechsel von Gesang, Video und Sprache schaffen gewaltige, schöne und verstörende Bilder, die sich in die Netzhaut einbrennen. Ihre volle Wirkung erlangen sie im Zusammenspiel mit der Musik des Ensembles »Adapter« unter der Leitung von Matthias Engler. Ein Schuss mit Nachhall weiterlesen

Der Diktator nächtigt im »Hotel Rixdorf«

Die Metamorphose eines Versagers

Während am 1. Mai in Kreuzberg der Bär steppt, und sich Tausende von jungen Leuten, aber auch gestandenes älteres Partyvolk durch die Straßenschluchten des ehemaligen SO36 bewegen, ist es im angrenzenden Nordneukölln, abgesehen von Kreuzkölln, eher ruhig. Vielleicht hat da schon der »Diktator von Rixdorf« seine Hände im Spiel.
An diesem denkwürdigen Abend – vor 30 Jahren wurde in Kreuzberg der Supermarkt Bolle geplündert und ging in Flammen auf – lud das »Hotel Rixdorf« am Böhmischen Platz zur Premiere des neuen Stücks »Der Diktator von Rixdorf« ein.

Diktatorschulung.                                                                                                                           Foto:Ulrike Eickers

Die Premiere war gleichzeitig die Dernière, das heißt, dass das Stück zum letzten Mal gespielt wurde, aber nur im Theater. Dieses Kammerspiel von Artur Albrecht dient als Vorlage für den gleichnamigen Film, der im Herbst in die Kinos kommen wird. Der Diktator nächtigt im »Hotel Rixdorf« weiterlesen

Hello Kitty Harakiri

»Rette uns, Okichi!«

Opern von japanischen Komponisten sucht der Berliner Opernfreund in den Spielplänen der drei großen Berliner Opernhäuser in der Regel vergebens. Die Neuköllner Oper füllt mit ihrer neuesten Produktion diese Lücke.
Mit »Rette uns, Okichi!«, das am 18. Februar Premiere hatte, präsentiert sie die europäische Erstaufführung der japanischen Oper »Kurofune« (Schwarze Schiffe), frei nach der Komposition von Kosaku Yamada, dem ersten japanischen Opernkomponisten.

Showdown mit Shogun.                                                                                                                                                             Foto: pr

In der Bearbeitung des Originalwerks nahm sich Regisseur Tomo Sugao die Freiheit, das groß angelegte Opernwerk mit nur drei Gesangskünstlern, dem stimmgewaltigen Bassbariton Tobias Hagge, dem nicht minder gesanglich imposanten Tenor Edwin Cotton und der zierlichen, aber stimmlich ebenfalls beeindruckenden Mezzosopranistin Yuri Mizobuchi im intimen Rahmen der Studiobühne zu inszenieren. Auf das große Orchester musste in dem kleinen Saal verzichtet werden, und so bestand die Instrumentierung lediglich aus Klavier, Saxofon, Schlagwerk und der japanischen Mundorgel Shō. Hello Kitty Harakiri weiterlesen

Wir müssen – aber wie?

»Gebrannte Kinder« im Heimathafen stellen Fragen einer Generation

Zehn junge Menschen sind in einem geschlossenen Raum isoliert und wollen etwas in Gang bringen, das die Welt »da draußen« verändert. Zehn junge Menschen agieren gegen Kapitalismus und Fremdenhass, gegen Grenzen und grenzenlose Finanzsysteme.

Wenn die Fetzen fliegen.                                                                                                                                                          Foto: pr

Was die Zuschauer beim Stück »Gebrannte Kinder« im Februar im Heimathafen zu sehen bekamen, waren die Anfänge einer Organisation von jungen Leuten, die alle das mehr oder weniger bestimmte Gefühl haben, dass etwas gewaltig schief läuft, dass es brennt in der Welt. Ohne Hierarchie und Anführer, ähnlich wie bei »Nuit Debout« in Paris, versuchen sie bei ihren teilweise sehr unterschiedlichen Vorstellungen von dem, was getan werden muss, einen Konsens zu finden. Dabei kommt es zu Streit genauso wie zu ausgelassenem Spaß, Gruppen bilden sich in der Gruppe, Grenzen werden überschritten und gezogen, Strukturen und Regeln aufgestellt und wieder verworfen. Wir müssen – aber wie? weiterlesen

Vom Wedding in die Fußballstadien der Welt

»PENG! PENG! BOATENG!« in der Probebühne des Heimathafens

Die Eigenproduktionen des Heimathafens stehen ganz in der Tradition des Volkstheaters, das gerade in Neukölln eine lange Geschichte hat. Mit ihrem »Neu-Berliner Volkstheater« will die künstlerische Leitung lebensnahe Unterhaltung für die Kiezbewohner auf die Bühne bringen. Die Regisseurin Nicole Oder hat sich in den letzten Jahren in ihrer »Neuköllner Trilogie« besonders mit den Themen Familie, Herkunft und Selbstbestimmung beschäftigt und sich damit auch über die Grenzen Neuköllns hinaus einen Namen gemacht.

Ausbruch aus dem Käfig.                                                                                                                                Foto: Verena Eidel

Auch das aktuelle Stück »PENG! PENG! BOATENG!« kreist um diese Themen. Entstanden nach Motiven aus dem Buch »Die Brüder Boateng. Drei deutsche Leben zwischen Wedding und Weltfußball« des Journalisten Michael Horeni, geht Oder der Frage nach, »wie man wird, was man ist«. Vom Wedding in die Fußballstadien der Welt weiterlesen

Der mit seinem Biest tanzt

Musical »Affe« in der Neuköllner Oper

Die Uraufführung des Stücks »Affe« vermittelte einen ganz neuen Blick auf das Erfolgs­album »Stadtaffe« von Peter Fox. Die in der Musik- und Party-Szene als Kult gehandelten Songs dienten Regisseur Fabian Gerhardt und Autor John von Düffel als Handlungsgerüst für ihren tieferen Blick auf die Zerrissenheit eines typischen Vertreters der in Berlin so weit verbreiteten Feiergesellschaft.

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F. wird angebaggert.                                                                                                                                                                    Foto: pr

Indem er geschickt die einzelnen Songs mit Düffels Texten verknüpft, schickt Fabian Gerhardt seine Hauptfigur, die einfach nur F. heißt, auf einen Horror-Selbsterfahrungs-Trip durch seine Vergangenheit.
F. wacht eines Tages in einem Krankenhausbett auf. Er hat keine Ahnung, wie er dahin gekommen und was in der Nacht vorher passiert ist, ja, er weiß nicht einmal mehr, wer er überhaupt ist. Der mit seinem Biest tanzt weiterlesen

Die Schönheit des Schrecklichen

Die »Neuköllner Oper« zeigt Puccinis Tosca als Stück von politischer Aktualität

Ob nun die Wirklichkeit ins Theater oder das Theater in die Wirklichkeit gebracht werden sollte, Regisseur Michael Höppner hat sich bei seiner Tosca-Inszenierung einiges vorgenommen. Er verwebt Puccinis Werk mit den gewaltsamen Polizeieinsätzen um den G8-Gipfel 2001 in Genua zu einer politischen Oper, die vom Kampf zwischen willkürlicher Staatsgewalt und dem Widerstand einfacher Leute erzählt.

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Willkür der Staatsgewalt: Die Realität von Genua inszeniert als Oper.                                               Foto: pr

Den Spagat schafft er, indem er die Generalprobe des Stücks zeigt und so die Figur der jungen, übermotivierten Regisseurin alle wichtigen Details und Grausamkeiten um den G8-Gipfel plakativ und empört vortragen kann. Dazwischen dann Ausschnitte aus der Oper, dramatische Folterszenen, die im Gegensatz zu den faktenreichen und verkopften Monologen der Regisseurin melodramatisch wirken und beim politisch interessierten Publikum mehr emotionale Rührung hervorrufen, als dieses sich eingestehen möchte. Die Schönheit des Schrecklichen weiterlesen

Caesar und Cleopatra in Hollywood, Shakespeare läßt grüßen

Neue Theaterproduktion im »Hotel Rixdorf«

Auch lange vor Angelina Jolie und Brad Pitt gab es berühmte Schauspielerpaare, deren Liebesleben die Boulevardpresse auf der ganzen Welt beschäftigte. Legendär waren Elizabeth Taylor und Richard Burton. Sie lernten sich bei den Dreharbeiten zu „Cleopatra“ kennen und führten eine heiße Liebesbeziehung, die vom Vatikan und konservativen amerikanischen Politikern heftig kritisiert wurde, da beide noch verheiratet waren. Burton und Taylor waren großartige Schauspieler, die in ihrem späteren Leben aber große Probleme mit dem Alkohohl hatten.

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Cäsar und Cleopatra.                                                                                                                                      Foto: Ulrike Eickers

Deren Leben, aber auch Shakespeare und Beckett dienten dem Regisseur, Schauspieler und Leiter des Theaters »Hotel Rixdorf«, Artur Albrecht, als Inspiration für sein neues Theaterstück »Caesar & Cleopatra«, das am 29. Oktober Premiere hatte. Caesar und Cleopatra in Hollywood, Shakespeare läßt grüßen weiterlesen

Beziehungskiste

Reigen im Großstadtdschungel

Die vielfältigen Facetten von Beziehungen und die Konflikte, die daraus entstehen, sind das Thema des Theaterstücks »Beziehungskiste«, das am 23. September im Studio des Heimathafens Premiere hatte.
Da ist Daniela, die Therapeutin, die ihrer eigenen Ehehölle mit einem zu Gewaltausbrüchen neigenden Mann durch das Schlucken von Glückspillen zu entkommen versucht. Ihr Dealer Moritz, ein typischer Neuköllner Proll, hadert mit seiner Sexualität, ist schwul und homophob zugleich. Und Andrea, ihre Patientin, muss mit dem Verlust ihrer Mutter, die an Krebs stirbt, klarkommen und mit dem Hass auf ihren Erzeuger, der sie im Stich ließ.

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Verstrickte Liebesdramen.                                                                                                                                                     Foto: pr

Jeder hat hier ein Geheimnis, und am Ende hängt Alles mit Allem zusammen, ein moderner »Reigen«. Beziehungskiste weiterlesen

Italien, Japan, Neukölln

»Iris Butterfly« in der »Neuköllner Oper

Die Oper »Iris« von Pietro Mascagni stellt das Schicksal der Tochter eines blinden Vaters dar, die in Japan entführt wird, um dann im Bordell zu arbeiten. Das Mädchen entschließt sich zum Selbstmord, die Gesellschaft tritt noch mal nach, das Mädchen sei doch selbst schuld. Die Neuköllner Oper greift dieses Thema auf. Auf dem Spielplan steht nun »Iris Butterfly«.
Mit einem koreanisch/japanischen Team wurde die Geschichte musikalisch neu erzählt.
Heraussragend sind die bunten, sehr schönen Kostüme, die angelehnt sind an Mangas. In gewohnter Weise war die musikalische Interpretation perfekt.
Das Publikum war verzaubert von dem Ausflug in ein Japan wie es heute sein könnte.

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Wie die Tussis laufen

Jugendliche entwickeln ein Schauspiel

Auf der Bühne steht eine Gruppe Jugendlicher, vom Bühnenrand schallen aus einer anderen Gruppe Anweisungen herüber, denen die Schauspieler folgen müssen. »Lauft wie Tussis« ist so eine Ansage. Sie bewegen sich entsprechend, lesen Texte vor, sprechen ihre Gedanken ins Mikrofon.

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Probe zu »How long is paradise?«.                                                                                                                                     Foto: pr

»Früher hab ich geglaubt, dass die Welt vor 1980 schwarzweiß war wegen der Videos«, sagt ein Junge. Ein anderer: »Ich bin Kolumbianer, aber ich konsumiere kein Kokain.« In dem Theaterstück »How long is paradise?«, das Maike Plath vom Verein »ACT e.V. – Führe Regie über dein Leben!« mit Jugendlichen im Heimathafen Neukölln probt, geht es um Glauben und um Vorurteile. Was glauben wir? Was wissen wir? Was ist der Sinn des Lebens? Gibt es das Gute und das Böse? Und wozu brauchen wir die Religion? Wie die Tussis laufen weiterlesen

»Central Rixdorf« wird zum »Hotel Rixdorf«

Unterhaltsames Theater sehr frei nach »Pension Schöller«

Die gefräßigen Miethaie haben ihr Revier nun auf den beschaulichen Böhmischen Platz und dessen Umgebung ausgedehnt. Artur Albrecht, der jahrelang das »Central Rixdorf« mit Puppentheater, Kochshows und Konzerten betrieb, hatte nur die Wahl zwischen aufgeben oder tatkräftigen Aktionen mit Blick auf die Zukunft. Er entschied sich für letzteres.
Aus dem »Central Rixdorf« wurde »Hotel Rixdorf«. Wer dort aber luxuriös übernachten will, ist auf dem falschen Dampfer. Beim »Hotel Rixdorf« handelt es sich um ein unterhaltsames Theaterstück, sehr frei nach dem Lustspiel »Pension Schöller«.

Hotel Rixdorf
Philipp Klapproth(Steinle) in der Irrenanstalt.                                                                                                         Foto: pr

Da mußte sich Artur Albrecht schon etwas Besonderes einfallen lassen und das ist ihm gelungen. Mit Hilfe einer in der Künstlergarderobe plazierten Kamera können die Zuschauer sowohl das Geschehen auf als auch hinter der Bühne verfolgen. Was in der Künstlergarderobe passiert, sehen sie auf einem Bildschirm im Theaterraum. »Central Rixdorf« wird zum »Hotel Rixdorf« weiterlesen

Utopistische Parabel in der Reichstagskuppel

Der »Heimathafen Neukölln« überrascht mit einer ungewöhnlichen Produktion

Wer hat nicht schon mal Lust gehabt, unfähigen Politikern einen Denkzettel zu verpassen? Nicht zur Wahl zu gehen oder besser noch, einen leeren Stimmzettel abzugeben. Letzteres ist effektiver.
Diese Idee hat der portugiesische Nobelpreisträger für Literatur, José Saramago, in seinem 2004 erschienenen Roman »Die Stadt der Sehenden« aufgegriffen. Auf der Grundlage dieses Romans inszenierte der »Heimathafen Neukölln« eine ungewöhnliche Produktion, einen utopistischen Audiowalk in der Kuppel des Reichstags.

Reichstag Kuppel
Wahlverweigerung in der Kuppel.Foto: pschl

Mit einer Art Audioguide ausgerüstet begibt sich das Publikum zur Kuppel des Reichstags und taucht in diesem Hörspiel in eine ganz andere Welt ein. Utopistische Parabel in der Reichstagskuppel weiterlesen

1.500 Polizisten gegen 19 Punks

Wien
Pizza Wiener Art – mit Tränengas.                                                                                        Foto: Syndikalismus

Wiener Häuserkampf an der »Neuköllner Oper«

Während in den Achtzigern in West-Berlin der Häuserkampf tobte, war es in Wien ziemlich ruhig. Vereinzelte Hausbesetzungen wurden sofort vereitelt. Niemand rechnete damit, dass im Jahr 2014 die beschauliche österreichische Hauptstadt Schauplatz eines Einsatzes von über 1.500 Polizisten gegen 19 Punks werden konnte.
Die absurde Geschichte könnte aus einem »Kottan«-Krimi stammen.
Ein Immobilienspekulant ging zu einem Treffen von Wiener Punks. Er bot ihnen an, dass sie in einem Wohnhaus im Wiener Bezirk Leopold- stadt für einen Euro pro Jahr wohnen könnten und alle Freiheiten hätten. Die Freude der Punks war groß, sie nahmen das Angebot an.
Natürlich verfolgte der Immobilienmakler eine Absicht. Die Punks sollten Chaos anrichten und das Haus verkommen lassen, um die Alt- mieter rauszuekeln. 1.500 Polizisten gegen 19 Punks weiterlesen

Paradiesvögel der Großstadtnacht

Bezaubernde »Damen« in der Tavestie-Show des TiK

In dem absolut kleinsten Theaterraum, den man sich nur vorstellen kann, wird dem Publikum des »Theaters im Keller« jede Woche der Kopf verdreht. Vor allem den Zuschauern der ersten Reihe, die definitiv keine Berührungsängste mit den Grazien auf der Bühne haben dürfen.

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Schulmädchen im Kellertheater.                                                                                                                                        Foto: pr

Eine farbenprächtige Show, fliegende Kostümwechsel, eine Mischung aus kreativ performten Playbacks und beeindruckenden Live-Songs, moderiert und geleitet von Popo Chanel, einer in die Jahre gekommenen Diva die auf ihre alten Tage noch von Charlottenburg nach Neukölln gezogen ist. Paradiesvögel der Großstadtnacht weiterlesen

Théâtre au fil des Nuages

Mit dem Fahrrad von Neukölln nach Paris

Vor 15 Jahren lernten sich die beiden Schauspieler Christina Gumz und Clément Labail in einer Schauspielklasse in Paris kennen. Bereits damals hatten die beiden die Idee, mit einem eigenen Ensemble selbst Stücke zu entwickeln und auf die Bühne zu bringen. Sie gründeten die Theatergruppe mit dem poetischen Namen »Théâtre au fil des Nuages«, was auf Deutsch so viel bedeutet wie »Theatergruppe Den Wolken entlang«. Théâtre au fil des Nuages weiterlesen

Der Mensch hinter der Akte

»Ultima Ratio« zeigt verschiedene Blickwinkel einer Flucht

Die Live Graphic Novel »Ultima Ratio«, aufgeführt im Heimathafen Neukölln erzählt die Geschichte von Alyah und Rooble, einem Paar auf der Flucht von Somalia nach Berlin. Dank des zeitweiligen Schutzes im Kirchenasyl der Neuköllner Kirchengemeinde St. Christophorus konnten sie einer Abschiebnug bis zum heutigen Tag entgehen.

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Stationen einer Flucht.                                                                                                                                                               Foto: pr

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Der Wolf und das Rotkäppchen

Märchenhaftes Musical in der »Neuköllner Oper«

Wo gehören wir hin? Wer sind wir wirklich? Wie sehr ist unser Denken von Vorurteilen geprägt? Schwere Fragen, mit denen sich das Musical »GRIMM« auf leichte Art beschäftigt.

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Wer ist hier böse?                                                                                                                                                                        Foto: mr

Das Premierenpublikum war am 20. März zu Recht begeistert, wusste das glänzend aufgelegte und tänzerisch, gesanglich wie schauspielerisch durchweg großartige Ensemble in der »Neuköllner Oper« doch bis zur letzten Minute mitzureißen. »Die wahre Geschichte von Rotkäppchen und ihrem Wolf« lautet der Untertitel des Stücks von Autor und Regisseur Peter Lund, doch die Versatzstücke diverser Grimmscher Märchen bilden nur die Grundlage für ein geistreiches, rasant choreographiertes und extrem witziges Spiel um den ewigen Kampf zwischen Gut und (angeblich) Böse. Der Wolf und das Rotkäppchen weiterlesen

Spotlight fördert Talente

Morris Perry verbindet Kunst und Kulturen

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Kreativer Kopfputz.                            Foto: pr

Es ist schon ein einzigartiges Projekt, das Morris Perry mit dem »Fujiama Nightclub« ins Leben rief. Viermal im Jahr präsentiert er junge Talente, die er in Neukölln gefunden hat, in seiner umwerfenden Show im Heimathafen.
Das Konzept ging auf. Im vergangenen Jahr gründete Perry den »Spotlight Talent e.V.«, um noch besser arbeiten zu können. Der Verein soll Kulturen über Kunst verbinden und jungen Menschen eine Perspektive bei der Berufswahl und bei Lebensentscheidungen bieten.
Spotlight fördert Talente weiterlesen

Gezi-Park hautnah

Fulminante Premiere in der »Neuköllner Oper«

Mit einem politisch brisanten Stück gelang der »Neuköllner Oper« eine beeindruckende Inszenierung.
Die Besetzung des Gezi-Parks in Istanbul im Juni 2013, bei dem die Aktivisten verhindern wollten, dass in dem Park ein Einkaufszentrum gebaut wird, entwickelte sich zu einer Manifestation von gigantischem Ausmaß. Zehntausende Menschen jeder Herkunft und aller Generationen feierten auf dem Taksim-Platz und im Gezi-Park friedlich ein Fest, wie es die Türkei noch nie gesehen hatte. Wenige Tage später wurde diese überwältigende Demonstration von der Polizei mit Gasgranaten und Wasserwerfern brutal zerstört.
Die Inszenierung, die diese Ereignisse mit den Mitteln des Musiktheaters umsetzte, riss die Zuschauer bei der Premiere am 21. Augustnicht nur emotional, sondern auch physisch mit. Die Rauchschwaden, die um die Bühne waberten, ließen sie in die Atmosphäre nach dem Tränengaseinsatz der Polizei im Gezi-Park eintauchen. Verstärkt wurde diese beklemmende Stimmung durch kurze schockierende Live-Sequenzen auf der Breitbildleinwand.

nk-operFreie Medien am Taksim-Platz.                    Foto: mr

Die junge Regisseurin Nicole Oder ging ein großes Wagnis ein, in dem sie fast vollständig auf türkische Folklore verzichtete, gleichzeitig aber die türkische Sprache zu großen Teilen beibehielt und die Protagonisten als moderne, weltoffene Jugendliche zeigte, die einen scheinbar aussichtslosen Kampf gegen den Staat führen.
Hauptdarstellerin Pinar Erincin, die selbst in der Gezi-Park-Bewegung aktiv war, beeindruckt in ihrer Rolle als Leyla, einer Aktivistin der Protestbewegung, sowohl mit ihrem gesanglichen als auch schauspielerischen Talent. Teils fragil, dann wieder als harte Kämpferin, nimmt sie das Publikum mit auf eine bange Reise zwischen Hoffnung auf eine neue Generation in der Türkei und Frust wegen des brutalen Vorgehens der Polizei.
Murat Dikenci gibt sich als Präsentator eines unabhängigen Piratensenders als Biene, die den Frieden will, tanzt wie ein Derwisch, zeigt aber auch exemplarisch die Rolle der unabhängigen Medien in diesem Konflikt.
Etwas farblos geriet die Rolle des deutschen Protagonisten Ben, der mittels neuer Technik in seinen sogenannten Soundscapes die Stimmen aus aller Welt einfängt. Er verliebt sich in Leyla, doch als die Tränengasangriffe der Polizei kommen, will er fliehen. Leyla, die starke Frau, trotzt dem Angriff und flieht dann, als alles aussichtslos scheint, in die Berge.
Ein Stück, das vieles offen lässt, aber vor allem durch eine geschickte Kombination von Schauspielkunst, stimmungsvoller Musik, gekonnten Videoeinspielungen und klug gestaltetem Bühnenbild emotional aufwühlt.

psch