Archiv der Kategorie: Film

Sinti und Roma kämpfen für ihre Rechte

Eindrucksvolle Filme über die Überlebenden des Genozids

Es ist eine sehr aktuelle sehenswerte Dokumentation des Filmemachers Peter Kestler bis 21.10.22 in der 3sat-Mediatkek auf Sendung: »Unrecht und Widerstand – Romani Rose und die Bürgerrechtsbewegung«.

Romani Rose.    Foto: Rainer Komers / Strandfilm

Romani Rose, seine Familie, die Mitstreiterinnen und Mitstreiter der Bürgerrechtsbewegung stehen im Zentrum des Films »Unrecht und Widerstand«. Eindrucksvoll beschreibt der Film ihren jahrzehntelangen mutigen wie beharrlichen Widerstand gegen die Ungleichbehandlung sowie den Kampf um die Anerkennung des an ihnen verübten Genozids. Als Überlebende des Völkermords, der von der deutschen Bundesregierung erst 1982 offiziell anerkannt wurde, waren und werden sie von staatlichen Behörden und der Mehrheitsgesellschaft diskriminiert und ausgegrenzt. Bis in die späten 1970er Jahre wurden die Täterinnen und Täter des Völkermords nicht zur Verantwortung gezogen. In einflussreichen Ämtern und Funktionen in Polizei, Justiz, Kirche und Universitäten erhielten sie vielmehr die Gelegenheit, die Überlebenden als Kriminelle zu verleumden und sich selbst zu rehabilitieren. Zudem verfestigten sie das stereotype Bild der Minderheit in Staat und Gesellschaft und trugen wesentlich zur jahrzehntelangen Nichtanerkennung des an Sinti und Roma begangenen Völkermords bei. Sinti und Roma kämpfen für ihre Rechte weiterlesen

Raus aus der Finsternis

Starke TV-Filme lehren: Nichts darf vergessen bleiben

Zu allererst: Es handelt sich nicht nur um starke Regiefilme nach gründlichem Drehbuch, sondern außerdem um megastarke Leistungen der Schauspieler und Schauspielerinnen. Vor allem die Kinder haben in »Die Nazíjäger« der Kamera ihr Bestes gegeben. Sie hatten dabei mit Sicherheit starke auch psychologische Betreuung, die bei Filmproduktionen stets gewährt wird. Sollten sie dem Schauspiel treu bleiben, werden wir starke Charakterdarsteller und -darstellerinnen zuschauend und packend erleben können.
Die Männer als Schauspieler überwinden ihre Abscheu vor den Faschisten, schlüpfen in Rollen, die ihnen im realen Leben von Herzen gar nicht passen und haben ein schwere Bürde auf sich genommen. Mit ihren Kahlschnittfrisuren und Hackenschlägen im militärischen Stil schaffen sie es, uns den Eindruck dieser überzeugten Verbrecherriege zu vermitteln. Raus aus der Finsternis weiterlesen

Vom Flughafen in die Welt des Films

Pop-up-Kinoreihe im Flughafen Tempelhof

Die Haupthalle des alten Flughafens Tempelhof ist auf ihre Weise schon beeindruckend und wirkt wie ein Kulisse. In diese geschichtsträchtige Kulisse wird bis Ende Dezember eine zweite Kulisse gesetzt – die des Films.

Kino THF.               Foto: Verena Eidel

Das Programmkino der »Neuen Kammerspiele« aus Kleinmachnow bringt mit dem »thf cinema« das Kino in den Flughafen.
Am 25. November startete die Reihe mit dem Filmklassiker »Außer Atem« von Jean-Luc Godard. Jeweils von Donnerstag bis Sonntag wird ein handverlesenes und vielfältiges Programm für Menschen jeden Alters gezeigt. Der Fokus liegt auf Klassikern, aber auch Höhepunkte dieses Kinojahres sind zu sehen. Jede Woche steht dabei unter einem eigenen, vereinenden Thema, das spielerisch Bezüge zur Gegenwart andeutet. Vom Flughafen in die Welt des Films weiterlesen

Filme auf dem Tempelhofer Feld

Bühne für Berliner Regisseure

Das große, weite Tempelhofer Feld bietet Platz für unterschiedliche Aktivitäten. Seit einem Monat gibt es dort auch Filmvorführungen unter freiem Himmel. Einmal in der Woche zeigt »FeldKino Berlin« in Kooperation mit den Vereinen »film­Arche« und »reSource« Filme vorwiegend Berliner Regisseure.
Die Kinoreihe enstand aus einer Nachbarschaftsidee, die schnell viele Unterstützer fand. »Mittlerweile hat sich auf technischer und organisatorischer Ebene viel getan«, sagt Özgür Ulucan, einer der Mitgründer des Kinos.
Wie andere Open-Air-Kinos ist auch das Feldkino vom Wetter abhängig. Falls das mitspielt, finden die Filmvorstellungen rechts am Haupteingang Oder- und Herrfurthstraße beim Haus 104 statt.

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Die wechselnden Vorführungszeiten und das Programm sind auf folgender Website zu finden:
http://asurl.de/13yd.

Peter Watkins: Wahrsager im Film

Werkschau des Regisseurs im »Wolf Kino«

Nach Retrospektiven in Lissabon, Barcelona und Oslo hatte Kurator Kristofer Woods die Idee, das außergewöhnliche Werk des britischen Filmemachers, Kritikers, Visionärs und »Enfant Terrible« Peter Watkins auch in Berlin zu präsentieren. Das »Wolf Kino« ist der ideale Ort dafür, bietet es doch die Möglichkeit, die Filme in ein Programm mit Workshops, Vorträgen und Diskussionen einzubetten.

Hart an der Realität.                                                                                                                                             Foto: pr

Peter Watkins hat seit den 1960er Jahren immer wieder den Status quo herausgefordert und mit dokumentarisch anmutenden Filmen wie »The War Game« (1965), »Privilege« (1966), »Punishment Park« (1971) und »The Trap« (1977) sein Publikum erschüttert. Peter Watkins: Wahrsager im Film weiterlesen

Letzte Runde im Netz

Webserie aus dem »Circus Lemke«

»Scotch on the Rocks of Neukölln« lautet der Untertitel einer tief rauch- und dunstgeschwängerten Serie, die seit letztem Herbst das Internet bereichert. Mit trunkenen Tresendramen, -verliebe- und -philosophierereien, wie sie der leidenschaftliche Kneipengänger gerade auch in Neukölln kennt und schätzt. Fast wie im richtigen Leben.
Die letzte Runde, »The Last Order« lautet der Titel der Serie aus sieben Kurzepisoden, die durchweg in der Bar »Circus Lemke« in der Selchower Straße 31 gedreht wurde. Auf deren 50 Quadratmetern wurde im letzten Frühling 30 Tage lang täglich von 7 bis 17 Uhr vom Mini-Team der beiden Filmemacher Julia Hertäg und Henning Röhrborn gedreht und cineastisch tiefe Nacht herbeigezaubert. Letzte Runde im Netz weiterlesen

»Andere Gärten: Das ABC des Florian Schenkel«

Ein experimenteller Neukölln-Film im »Aller-Eck«

A wie Ameisenbär–ein Genuss für Augen und Ohren.                                                                          Foto: pr

Aus dem Off assoziiert jemand frei zu je einem vorgegebenen Begriff pro Buchstabe des Alphabets. Die Stimme, die zu den insgesamt 29 (inklusive Umlaute) Themen, mal geistreich und witzig, mal jammernd und lamentierend, referiert, gehört dem Münchner Lebenskünstler und Hörspielautor Florian Schenkel. Den hatte es vor einigen Jahren vom beschaulichen München­­ nach Berlin-Neukölln verschlagen, wo er, nach einigen gescheiterten Versuchen, in der Off-Künstlerszene Fuß zu fassen, ein mehr oder weniger trauriges Bohème-Dasein führte, das vor allem in einem allabendlichen Gang zum Späti bestand, um den zur Neige gegangenen Biervorrat wieder aufzufüllen. »Andere Gärten: Das ABC des Florian Schenkel« weiterlesen

»Überleben in Neukölln«

Ein Neuköllner Juwel.                                                                                                                                   Foto:pr

Neuer Film von Rosa von Praunheim

Ist Neukölln wie New York, als es noch bezahlbar war? Der Film von Rosa von Praunheim »Überleben in Neukölln« lässt das vermuten. Hier mischt sich alles: Künstler, Einwanderer, Studenten, Menschen verschiedener Identitäten und Hintergründe. Und es scheint zu funktionieren. Man lebt zusammen, ohne sich die Köpfe einzuschlagen, es entsteht sogar ein einzigartiger Raum, in dem alle leben, wie sie möchten (mehr oder weniger) und sich entfalten können (mehr oder weniger).
Praunheim zeigt in seinem Film die, die es trotz mancher Hindernisse geschafft haben, sich zu entfalten. Der Blick der Protagonisten auf Neukölln ist ein liebevoller, aber trotzdem kritischer. In »Überleben in Neukölln« lernt man Menschen kennen, die faszinierend, eigensinnig und Neuköllnerinnen und Neuköllner wie Du und ich sind. »Überleben in Neukölln« weiterlesen

»Manchester by the Sea«

Drama um Trauer und Schuld

»Manchester by the Sea« handelt von Lee Chandler (Casey Affleck), einem wortkargen Hausmeister, der alleine in der Nähe von Boston lebt und sich nach getaner Arbeit manchmal grundlos in Bars prügelt. Nach dem Tod seines Bruders Joe muss Lee zurück in seine Heimatstadt an der Küste von Massachusetts, um sich um dessen Sohn Patrick zu kümmern. Diese unfreiwillige und genauso unerwartete Vaterrolle zwingt ihn dazu, sich mit verdrängten, vergrabenen Gefühlen von Trauer und Schuld auseinanderzusetzen.

Randi und Lee.                                                                                                                                                                                  Foto: pr

In mehreren Rückblenden erzählt der Film vom Trauma Lees, das einige Jahre zurückliegt und versucht zu erklären, warum der Protagonist so ist wie er ist: In einer Nacht, in der er betrunken und auf Drogen nach einem Streit mit seiner Frau Bier holen geht, geschieht im Haus der Familie ein Unfall, bei dem Lees drei kleine Kinder ums Leben kommen. Dieses Trauma definiert sein Leben, und die emotionalen Narben, die der Verlust seiner Kinder und seiner Vaterschaft hinterlassen hat, bestimmen seine Haltung gegenüber seinen Mitmenschen und der Welt. »Manchester by the Sea« weiterlesen

»Wolf« im wilden Bruch

Neues Konzept mit Kino, Bar, Café und Studio

Zwei Jahre dauerten die Renovierungs- und Umbauarbeiten, um aus einem Bordell an der Ecke Wildenbruch-/We­ser­straße ein modernes Kino zu machen. Anfang März 2017 war es dann endlich soweit. Der »Wolf« öffnete seine Pforten.

Wölfe in Neukölln.                                                                                                                                                                 Foto: pschl

Der Ort unterscheidet sich völlig von anderen Programmkinos. Neben zwei Kinosälen mit neuester Technologie gibt es im »Wolf« ein geräumiges Café, das ab zehn Uhr vormittags geöffnet ist, eine schicke Bar und einen multifunktionellen Saal für unterschiedliche Aktivitäten. »Wolf« im wilden Bruch weiterlesen

»Einfach das Ende der Welt«

Ein Familienessen als Vorhof zur Hölle

Der Film »Einfach das Ende der Welt« ist der neueste Film von Regie-Wunderkind Xavier Dolan, dem frankokanadischen Filmemacher, der schon mit seinem Debüt »I killed my mother« die Filmwelt ausnahmslos begeisterte. Ganz so liebevoll wurde sein aktuelles Werk nicht aufgenommen, beim Screening der Premiere auf dem Filmfestival in Cannes begleiteten Buh-Rufe die Vorstellung, den Jury-Preis gewann er trotzdem.

»Einfach das Ende der Welt« erzählt die Geschichte von Louis, einem Theaterautor aus der Großtadt, der in einem schwülen Sommer heimkehrt zu seiner Familie. Sein unangekündigter Besuch ist eine ebenso große Überraschung wie sein unangekündigter Abgang vor 12 Jahren, als er sang- und klanglos einfach ging. Das hat selbstverständlich Spuren hinterlassen, und es dauert nicht allzu lang, bis sich sämtliche Emotionen der Familienangehörigen Bahn brechen. »Einfach das Ende der Welt« weiterlesen

Rache als Roman

Eine schlaflose Nacht der übelsten Sorte

Der Film »Nocturnal Animals« feierte seine Premiere im September letzten Jahres auf dem Filmfestival in Venedig. Tom Ford, der Regisseur und Drehbuchautor des Films, hat nach seinem Debütfilm »A Single Man« aus dem Jahr 2005 mit »Nocturnal Animals« einen Neo-Noir-Film geschaffen, der in stilistisch bestechenden Bildern eine wunderschöne Fantasie des Grauens schafft. Genauso verstörend wie betörend.

Ford, der eigentlich Mode-Designer ist, schrieb auch das Drehbuch, das auf dem Roman »Tony und Susan« des Schriftstellers Austin Wright basiert. Im Zentrum der Handlung steht Susan, eine unglücklich verheiratete Galeriebesitzerin, die ein ernsthaftes Schlafproblem hat. Richtig düster wird es, als sie per Post das Manuskript für einen Roman ihres Ex-Mannes erhält. Der Roman ist nicht nur ihr gewidmet, sondern scheint auch metaphorisch Parallelen zu ihrer gemeinsamen Vergangenheit aufzuweisen. Edward, der Ex-Mann, bittet Susan, den Roman zu lesen. In einer schlaflosen Nacht beginnt Susan mit der Lektüre, und der Albtraum nimmt seinen Lauf. Rache als Roman weiterlesen

Besser spät als nie

»Toni Erdmann« in Neukölln

Es mag Leute geben, die sich gleich zum Kinostart eines neuen Films in einem Yorck-Kino einfinden. Dann gibt es immer auch die, die es gemütlicher angehen lassen, sich sämtliche Film-Trailer und Teaser mehrmals ansehen, alle lobenden und vernichtenden Kritiken der Feuilletons lesen, in Kneipen und auf Partys leidenschaftlich über Bildgestaltung und Genrezugehörigkeit mitdiskutieren, ohne den tatsächlichen Film jemals gesehen zu haben. Es stellt sich die Frage, ob es dann überhaupt noch notwendig ist, sich einen Film anzusehen, der irgendwie innerlich wie gesellschaftlich durchdekliniert zu sein scheint. Besser spät als nie weiterlesen

Der Busfahrer und seine Gedichte

Eine Reise in die Provinz

»Paterson«, der neue Film von Regisseur Jim Jarmusch ist eine sehr besondere, sehr entschleunigte Tragikkomödie. Der unaufgeregt strukturierte Film ist nach einer gewöhnlichen Arbeitswoche im Leben eines Busfahrers namens Paterson in der amerikanischen Provinzstadt Paterson in New Jersey angelegt. Ein Mann, der ein ruhiges Leben mit Frau und Hund führt und dessen Alltag durch die immer gleichen Abläufe, Rituale und Muster einer tagtäglichen Meditation ähnelt.

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Marvin sorgt für Unruhe.                                                                                                                                                          Foto: pr

Doch Paterson ist auch Dichter. Wann immer es ihm sein minutiös durchgetakteter Tagesablauf ermöglicht, schreibt er Gedichte in sein kleines Notizbuch, welches er immer dabei hat. Seine Frau, die ein sehr quirliger und temperamentvoller Gegenentwurf zur Persönlichkeit ihres Mannes ist, ermutigt ihn, sein Talent mit der Welt zu teilen, doch Paterson scheint nur für sich selbst zu schreiben und zufrieden zu sein mit seinem genügsamen Leben. Der Busfahrer und seine Gedichte weiterlesen

Marx versus McDonalds

Kino in Neukölln

Das »Il Kino« bleibt eine spannende Adresse für Cinephile im Kiez. Neben vielen spannenden Neuzugängen im November-Programm läuft auch immer noch ein Film, der bereits im August seinen deutschen Kinostart hatte: »Captain Fantastic« ist eine Tragikomödie von Matt Ross, von dem auch das Drehbuch stammt. Im »Il Kino« gibt es die vielleicht letzte Chance, den Film auf der großen Leinwand zu sehen.

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Die Handlung be­ginnt mit dem Selbstmord einer Frau, die neben ihrem Ehemann sechs Kinder zurücklässt, die alle in einem Wald fernab von jeder Form der Zivilisation den »Aussteigertraum« leben. Die Kinder beherrschen allseits bekannte, sowie eher unbekannte, teilweise groteske Überlebensfähigkeiten, die Menschen aus der industrialisierten Welt nur aus Filmen kennen. Marx versus McDonalds weiterlesen

Die Zombies sind unter uns

Sonntags – Paranoia in Neukölln

Im »Laidak« am Boddinplatz findet im Oktober eine spannende Filmreihe unter der Überschrift »The Paranoic Eye – Verschwörung, Wahn + Wirklichkeit im kulturindustriellen Spielfilm des Westens« statt. Zu diesem Thema werden in den kommenden Wochen insgesamt vier Filme gezeigt.

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Einer dieser Filme ist »Die Dämonischen« (Originaltitel: Invasion of the Body Snatchers). Der Film basiert auf dem gleichnamigen Science-Fiction Roman von Jack Finney, der Mitte der 50er Jahre das erste Mal erschienen ist. Es gibt insgesamt vier Verfilmungen des Stoffs, unter anderem von Philip Kaufman und Abel Ferrara, wobei die erste aus dem Jahr 1956, inszeniert von Regisseur Donald Siegel, am dichtesten der Romanhandlung folgt und als bester unter allen Verfilmungen gilt. Die Zombies sind unter uns weiterlesen

TERRA NOVA

Gartenprojekt für und mit Geflüchteten

Auf dem Gelände des Jerusalem-Friedhofs an der Hermannstraße fand eine ungewöhnliche Flächenumwidmung statt. Initiiert vom JugendKunst- und Kulturhaus »Schlesische 27« und »raumlaborberlin« errichteten junge Flüchtlinge aus Afrika seit Mai 2015 einen Nutz- und Ziergarten auf dem hinteren Teil des Geländes. Dieser gedeiht inzwischen prächtig aufgrund des überraschungsreichen Gärtnereibetriebs und der vielen Bienenvölker.

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Die evangelische Kirche und der Friedhofsverband unterstützen dieses Projekt, das sich nicht nur als künstlerisches Experiment versteht, sondern vor allem 15 Zufluchtsuchenden eine mittelfristige Perspektive bietet. Im Laufe dieses Jahres soll mit dem Bau von Unterkünften begonnen werden. TERRA NOVA weiterlesen

Der Jungfrauenwahn

Tradition verhindert Freiheit

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Güner Balci mit Arife Yalniz .                                          Foto:mr

In der Hochzeitsnacht muss Blut auf dem Laken sein, sonst gilt die Braut als ehrlos. Notfalls gibt es im Internet künstliche Jungfernhäutchen zu kaufen. Im Film »Der Jungfrauenwahn«, der am 8. Juli im Cineplex-Neukölln, in den Neukölln Arcaden gezeigt wurde, geht Regisseurin Güner Balci der Frage nach, wie sich für junge Muslime, die in einer freien Gesellschaft leben, die Herkunftskultur der Eltern mit den eigenen Wünschen verträgt. Und wieso es für sie lebensgefährlich sein kann, sich sexuelle Freiheit zu erlauben.
Die Gespräche, die Balci im Film mit muslimischen Jugendlichen führt, illustrieren, dass viele muslimische Familien es für die Familienehre als weniger schlimm betrachten, wenn der Sohn mit Drogen dealt, als wenn die Tochter eine sexuelle Beziehung vor der Heirat hat. Der Jungfrauenwahn weiterlesen

Der Himmel über der Hasenheide

Freiluftkino im Park

Ja, das Wetter war verwirrend in den letzten vier Wochen, mittlerweile ist der Sommer wohl tatsächlich angekommen und somit ist es auch wieder Zeit für das Freiluftkino in der Hasenheide, die Pforten zu öffnen.

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Ein Engel über Berlin.                                                                                                                                                                  Foto: pr

»Raus ins Kino« lautet das Motto, und gezeigt wird ein abwechslungsreiches und breites Programm, bestehend aus den Perlen des Arthouse- sowie Mainstreamkinos des letzten Jahres – darunter auch einige wirklich empfehlenswerte, wie etwa »Victoria« (Regie: Sebastian Schipper), ein vibrierendes Porträt über Berlin, in dem die Stadt über 140 Minuten mit nur einer Kameraeinstellung eingefangen wird. Außerdem der Oscar-nominierte Film »Mustang« (Regie: Deniz Gamze Ergüven), der die Emanzipationsbestrebungen von fünf Schwestern in einem kleinen türkischen Dorf dokumentiert und damit die konservativen Werte der Gesellschaft hinterfragt. Weiterhin wird auch Woody Allens »Irrational Man« mit Joaquin Phoenix gezeigt. Der Himmel über der Hasenheide weiterlesen

Globales Arbeitselend

Drei sehenswerte Dokumentarfilme im »Laidak«

Passend zum Tag der Arbeit im Monat Mai, findet derzeit im »Laidak« eine Filmreihe unter dem Titel »Die Trilogie zu globaler Arbeit« statt. Gezeigt werden drei Dokumentarfilme des 2014 verstorbenen, österreichischen Filmemachers Michael Glawogger.

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DER Wert der Arbeit.                                                                          Foto: ibk

Der Regisseur brachte durch seine beeindruckenden Arbeiten immer wieder die harschen Realitäten der globalisierten Welt auf die Leinwände.
Seine Filme erschüttern nachhaltig und regen an, sich zu fragen, was Arbeit im 20. und 21. Jahrhundert bedeutet. Globales Arbeitselend weiterlesen

Per Zufall durch die Vergangenheit

Science Fiction im Boddinkiez

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Zeitreisen – juhuu!                                                                                                                                                                 Foto: Scubi

Im »Laidak« am Boddinplatz gibt es neben den Lesungen und Konzerten, die dort regelmäßig statt­finden, auch Filmreihen, die sehr sehenswert sind.
Nachdem im Januar und Februar drei Filme zu dem Thema »Die USA und der Holocaust« liefen, sind derzeit einige ganz besondere Filme aus dem Bereich Dystopie und Science Fiction zu sehen.
Der letzte Film der aktuellen Reihe ist »Primer«. In »Primer« geht es um zwei junge Ingenieure und Freunde, die zufällig und ungewollt eine Art Zeitmaschine erfinden.
Der Film wurde von Shane Carruth, einem einstigen Mathematikstudenten geschrieben, inszeniert, produziert und geschnitten. Außerdem spielt er auch eine der zwei Hauptrollen. Per Zufall durch die Vergangenheit weiterlesen

Wenn Träume wahr werden

Ein Sonntagabend im »Café Engels«

Der Inhalt der folgenden Meldung ist ohne Zweifel die aufregendste und beste Idee für Neukölln seit dem Erscheinen der Kiez und Kneipe.
Stell dir vor, es ist Sonntag, du bist in Berlin, es ist Winter, es ist grau, es ist kalt. Du bist so melancholisch drauf, dass du dich entscheidest, ohne Regenschirm einen Spaziergang über das Tempelhofer Feld zu machen. Selbstverständlich fängt es an zu regnen. Das führt dazu, dass du dich noch niedergeschlagener fühlst. Ein Quentchen Langeweile bewegt dich raus aus dem ehemaligen Flugfeld und in die Herrfurthstrasse. Ganz plötzlich hast du eine unbändige Lust auf schwarzen, heißen Kaffee und gehst ins »Café Engels«, welches ziemlich überfüllt wirkt. Du bestellst deinen Kaffee und stehst an der Bar, als sich ein Mann in einem albern wirkenden beigen Trenchcoat zu dir gesellt. Dieser Mann erzählt dir, dass gleich »Twin Peaks« anfängt und fragt dich, ob du dir nicht vielleicht einen Sitzplatz suchen möchtest.

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Willkommen in Twin Peaks.                                                                                                  Foto: Charle

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Großes Kino mit Neuköllner Kindern

»Alphabet« feierte Premiere in den »Neukölln Arcaden«

Eine ungewöhnliche Filmpremiere fand am 16. November in den »Neukölln Arcaden« statt. Rixdorfer Kinder, die im Film »Alphabet« mitgespielt hatten, präsentierten sich voller Stolz auf dem roten Teppich vor dem Eingang zum Saal 1 des Kinocenters »Cineplex«.
Zuerst stellte Regisseur Artur Albrecht die jungen Darsteller vor, dann würdigte Kulturstadtrat Jan-Christopher Rämer das Engagement aller Beteiligten.

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Kaffee, Kuchen und Kino

Eine gebrochene Lanze für das Multiplex namens »Karli«

Neben all den Arthouse-Kinos, Film-Bars, Cineasten-Cafés, die es in Neukölln gibt und über die Kiez und Kneipe schon oft berichtet hat, hat Neukölln selbstverständlich auch ein Multiplex-Kino. Das »Karli« in den »Neukölln Arcaden«, dem Neuköllner Konsumtempel schlechthin. Benannt nach den »Karl-Marx-Lichtspielen«, die hier früher einmal standen und der Karl-Marx-Straße, auf der sich dieses Einkaufszentrum und Kino befindet.

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»Königin der Wüste« mit Kuscheltieren.                                                                                                                      Foto: pr

Auch wenn die Filmauswahl in erster Linie aus Blockbuster-Fortsetzungen, wie »Transformers 8« und melodramatischen Perlen des türkischen Mainstream-Kinos besteht, ist es ab und an doch mal schön, Filme auf einer Leinwand zu sehen, die größer ist als die Kleinkunstkino-Bildschirme, die auch nicht größer sind als der heimische Flatscreen-Fernseher. In Kinosesseln, die bequem sind und ohne strafende Blicke der Kinomitarbeiter, wenn man beim Filme gucken gerne die Kinoliebhaber-Sünde begeht und Popcorn und Nachos isst. Kaffee, Kuchen und Kino weiterlesen

Lust und Sound in der Hasenheide

Ein letztes Mal Freiluftkino

Bevor der Sommer sich langsam, aber sicher dem Ende nähert, gibt es bis zum 5. September noch die Möglichkeit, ins Freiluftkino in der Hasenheide zu gehen.
Der Film des Saisonfinales ist der dokumentarische Essay »B-Movie: Lust & Sound in West-Berlin 1979-1989« (Deutschland 2015, 92 Minuten, Regie: Jörg A. Hoppe, Klaus Maeck, Heiko Lange, Miriam Dehne).
Die filmische Collage, die aus Archivmaterial unterschiedlicher Körnungen, Formate und Beschaffenheiten besteht, daneben jedoch auch neu gedrehte Spielfilmsequenzen enthält, schafft ein chaotisch-faszinierendes Gesamtbild des West-Berlins der 1980er- Jahre. Dieses atemberaubende Bild inspiriert einen dazu, alles stehen und liegen zu lassen, um sich von nun an ausschließlich der Erfindung einer funktionierenden Zeitmaschine widmen zu können. Lust und Sound in der Hasenheide weiterlesen

Die Schönheit im Tragischen

»Das Salz der Erde« im »Il Kino«

Seit einem halben Jahr besitzt Neukölln ein neues Kino. In der Nansenstraße, in den Räumen einer alten Bäckerei, befindet sich das »Il Kino«.
Die italienische Bar, die charmant mit Plakaten aus der italienischen Filmgeschichte dekoriert ist und sogar einen richtigen Kinosaal besitzt, beendet ihre Sommerpause am 7. August und so werden in Zukunft im »Il Kino« wieder ausgewählte Filme gezeigt.
Einer der Filme im aktuellen Programm ist »Das Salz der Erde« (Frankreich/Brasilien 2014, 110 Minuten, Regie: Wim Wenders, Juliano Ribeiro Salgado, Französisch und Portugiesisch mit deutschen UT). Die Schönheit im Tragischen weiterlesen

Freiluftkino im Körnerpark

Die Saison beginnt auf dem Tahrir-Platz

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KUnst als Waffe.                                                                                                                                                                            Foto: pr

Das von der »WerkStadt – Kulturverein Berlin e.V.« organisierte Open-Air-Kino im Körner-park startet im Juli in die nächste Runde. Der gemeinnützige Verein »WerkStadt«, der auch für viele weitere Kunstaktionen im Körnerkiez verantwortlich zeichnet, bietet somit eine interessante Alternative für alle Cinephilen, die Lust auf Filme haben, die nicht gerade in jedem zweiten Kino laufen, oder die all diese schon gesehen haben. Der Eintritt ist frei und eine Schlechtwetter­alternative gibt es auch. Freiluftkino im Körnerpark weiterlesen

Filmfestspiele à la Neukölln

Die »Boddinale« im dritten Jahr als alternatives Filmfestival

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Kurzfilme beherrschen die Boddinale.                                    Foto: pr

Klappstühle, Filmleinwand, eine verqualmte Bar und ein Publikum, das offen ist für alles. Mehr braucht man nicht für Filmfestspiele à la Neukölln, und das »loop-hole« schaffte es zum dritten Mal, diese Komponenten erfolgreich zusammenzuführen und mit der »Boddinale« eine Plattform für alles, vom experimentellen Dreiminüter bis zur eineinhalbstündigen Reportage zu bieten. Filmfestspiele à la Neukölln weiterlesen

Großes Kino für Alle

»Berlinale Goes Kiez« rollt den roten Teppich vor Kiez-Kinos aus

Einen Hauch der Exklusivität der 65. »Internationalen Berliner Filmfestspiele« konnten die Besucher der »Berlinale Goes Kiez«-Veranstaltungen in Neukölln schnuppern. Mit rotem Teppich und rot leuch­tendem Berlinale-Schild empfing das »Neue Off« in der Hermannstraße am 12. Februar zur Vorstellung einiger Wettbewerbsfilme. Großes Kino für Alle weiterlesen

»Ich Bin Creative«

Intelligente Künstlerportraits im Film

Zwei Jahre lang – von 2010 bis 2011 – filmte der Londoner Dokumentarfilmer und Fotograf Edward Longmire in Berlin lebende Künstler aus englischsprachigen Ländern bei ihrer Arbeit. Das Resultat seiner Recherchen war bei der Premiere seines Films »Ich Bin Creative« am 24. November im Neuköllner »IL KINO« zu bestaunen.

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Zam Johnson in Aktion.                                                                      Foto:mr

Von der ersten Minute an war zu erkennen, dass hier ein Meisterfotograf am Werk ist. Großartige Bilder prägen den Film, auch die Schnitte sind sehr intelligent angelegt. Longmires geschickte Fragestellung sorgt für ein spannendes Portrait dieser so unterschiedlichen Menschen. Verschieden sind nicht nur die Charaktere und ihr Werdegang, sondern auch die Kunstrichtungen: Musik, Theater, Film, Poesie, Fotografie, bildende Kunst. Manche, wie der Multimediakünstler Zam Johnson, vereinen das in einer Person. Johnson ist bei einem Auftritt mit einer Jazzband zu sehen, als Komponist für eine Theatergruppe und schließlich als Maler in seinem Atelier. »Ich Bin Creative« weiterlesen

Die auf die Straße gehen

Der Film »Mietrebellen« portraitiert die Proteste gegen Verdrängung / von Robert S. Plaul

Was der Begriff »Gentrifizierung« bedeutet, und wie schnell Verdrängung alteingesessener Mieter aus ihrem Lebensumfeld mittlerweile gehen kann, bedarf in Berlin und insbesondere in Kreuzberg und Neukölln seit einiger Zeit keiner näheren Erklärung mehr – zu präsent ist die Problematik, als dass man sie ignorieren könnte, selbst wenn man persönlich nicht direkt betroffen ist. Dass das Thema in den Köpfen ist, ist nicht zuletzt auch das Verdienst jener Aktiven, die sich in den vergangenen Jahren in zahlreichen Initiativen und Gruppierungen zusammengefunden haben, um den Protest gegen Mieterhöhung und Verdrängung auf die Straße zu bringen. Mit »Mietrebellen« kommt Ende April ein Dokumentarfilm ins Kino, der ein Portrait eben jener Protestbewegung zeichnet.
Es ist eine Bewegung, das zeigt der Film, die sich nicht ohne weiteres einer konkreten gesellschaftlichen »Gruppe« oder »Schicht« zuordnen lässt: Intellektuelle Alt-Linke, türkische Grundsicherungsempfänger und kampfeslustige Senioren sind es, die sich plötzlich – und vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben – demonstrierend auf der Straße wiederfinden, ein Protestcamp aufbauen und Zwangsräumungen verhindern.
In Pankow haben die Nutzer einer Seniorenbegegnungsstätte, die vom Bezirk geschlossen werden sollte, die Einrichtung kurzerhand besetzt und damit die Politik zum Handeln gezwungen. In Friedrichshain ist es den Bewohnern einer Wohnanlage, der Rentnergruppe »Palisadenpanther«, gelungen, die drohende Verdoppelung der Miete auf die sogenannte »Kostenmiete« zu vereiteln.
Ausgelaufene staatliche Fördergelder im ehemaligen sozialen Wohnungsbau sind auch der Grund für die Miet­erhöhungen südlich des Kottbusser Tors. Die zum größten Teil türkischstämmigen Mieter, die meist seit Jahrzehnten in ihren Wohnungen leben, haben sich zur Initiative »Kotti & Co.« zusammengeschlossen und auf dem Platz ein Protestcamp aufgeschlagen, das sie in Anlehnung an die informellen Siedlungen am Rande türkischer Großstädte als »Gecekondu« bezeichnen. Tatsächlich haben sie mit ihrem Protest erreicht, dass die geplante Mie­­t­erhöhung für ein Jahr ausgesetzt wurde.

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Mit Rollstuhl und Rollator. Die »Palisadenpanther« kämpfen um ihre Wohnanlage.   Fotos: schultecoersdokfilm

Doch nicht immer ist der Protest erfolgreich. Die Zwangsräumungen von Familie Gülbol und von Rosemarie Fliess – die traurige Berühmtheit erlangte, weil sie zwei Tage darauf verstarb – konnten trotz massivem Aufgebot von Protestierenden nicht verhindert werden. Die gute Nachricht aber, das vermitteln die Dokumentarfilmer Gertrud Schulte Westenberg und Matthias Coers in »Mietrebellen«,  ist, dass mit solchen Aktionen ein öffentlicher Druck geschaffen wird, der künftig Vermieter vielleicht davon abhält, zum Mittel Zwangsräumung zu greifen, selbst wenn sie sich im Recht fühlen.
Der eigentliche Adressat des Protestes aber ist und bleibt die Politik. Nur sie nämlich kann beispielsweise entscheiden, ob weitere Immobilien aus Landesbesitz an private Investoren verkauft werden oder ob es Miet­ober­gren­zen geben soll.

»Mietrebellen« läuft ab 24. April unter anderem im Moviemento.